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Schleier und Schwert

Schleier und Schwert

Titel: Schleier und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brisbin
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wusste nicht, welcher Schmerz schlimmer war – der Schmerz darüber, dass die leeren Liebesschwüre eines Mannes ihre junge Dienerin zerstören würden oder der Schmerz über ihren eigenen Untergang aus dem gleichen Grund. Doch noch konnte sie etwas tun, um zu verhindern, dass das junge Mädchen in sein Unglück lief. Sie legte ihre Kopfbedeckung ab und holte einige Male tief Luft, um sich zu beruhigen. Dann faltete sie Wimpel und Schleier, legte sie auf den Stuhl und begann, ihre Tunika zu lösen.
    „Hat er dich berührt?“, fragte sie und war sich der Gefahr dieser Tatsache bewusst.
    „Er hat meine Hand geküsst“, antwortete Elspeth mit einem Seufzer.
    „Du bist von niederer Herkunft, Elspeth. Und er ist ein Adeliger. Glaubst du, seine Eltern erlauben euch zu heiraten?“
    Sie sagte es so offen heraus, weil sie wusste, dass die Leidenschaft zwischen ihnen schon entflammt war. Sie wollte die Gefühle des Mädchens nicht verletzen. Aber eine Dienstmagd, geboren und aufgezogen in einem kleinen, abgeschiedenen Kloster, passte als Braut eher zu einem Bauern als zu dem Sohn eines Edelmanns, der bei Hofe mit den Ranghöchsten verkehrte.
    „Bis wir das Haus meines Vaters erreichen, müssen wir diese Maskerade aufrechterhalten. Wenn du ihn dann immer noch willst und er dich auch, nachdem er die Wahrheit herausgefunden hat, können wir die Frage klären.“
    „Aber Mylady
    “, setzte Elspeth an.
    „Ich will nichts mehr davon hören“, sagte Margriet mit ruhiger Strenge. „Du kennst den Grund, warum ich dieses Nonnengewand tragen muss. Es dient dem Schutz gegen jene
    “, sie deutete mit dem Kopf zur Tür, hinter welcher der Lärm der immer noch zechenden Männer zu hören war, „
    aber auch um das hier vor der Entdeckung zu bewahren.“ Sie legte die Hand auf ihren runder werdenden Bauch. „Auch mir versprach man Liebe, Elspeth. Bevor du alles, was du hast, verlierst, um dich jemandem zu schenken, sieh hin, wie ein Mann sein Versprechen, das er mir in der Hitze der Leidenschaft gab, gehalten hat.“
    Mit tränenüberströmtem Gesicht blickte das Mädchen auf Margriets Bauch, den Beweis ihrer Sünde. Margriet wurde die Kehle eng, während sie darauf wartete, ob Elspeth ihre Worte akzeptierte oder sie und die vereinbarte Belohnung zurückwies. Das einzige Eingeständnis, das sie erhielt, war ein kurzes Nicken, bevor das Mädchen sich abwandte und fürs Bett vorbereitete.
    Thora hatte einen Krug Wasser und eine Schüssel bereitgestellt, und so wuschen sie sich jetzt nacheinander Gesicht und Hände.
    Margriet sehnte sich nach einem dampfend heißen Bad, in dem sie stundenlang liegen konnte. Das würde das Erste sein, worum sie im Haus ihres Vaters bitten würde. Im Augenblick war schon dieser kleine Komfort willkommen. Es herrschte jetzt eine gespannte Atmosphäre zwischen den beiden Frauen. Für den Rest der Zeit, die sie brauchten, um sich auf den Schlaf vorzubereiten, sprachen sie kein Wort miteinander. Als Margriet die Decke hob, um ins Bett zu klettern, kam Elspeth mit einem Becher zu ihr.
    „Mylady, ich vergaß, dass Thora das hier für Euch brachte. Sie sagte, es wird Euch helfen, wieder zu Kräften zu kommen für die bevorstehende Reise.“
    „Aber du warst doch diejenige, die krank war, Elspeth. Du solltest es trinken.“
    Das Mädchen schüttelte den Kopf und hielt ihr den Becher hin. Als Margriet widersprechen wollte, flüsterte Elspeth ihr zu: „Vielleicht ist es auch gut für das Kind.“
    Margriet roch an dem Becher und war von dem angenehmen Duft überrascht. Es roch ganz und gar nicht wie die Heiltränke, die im Kloster gebraut worden waren. Das hier roch nach Nelken und Honig und noch etwas anderem, das sie nicht benennen konnte. Margriet nahm einen kleinen Schluck. Das Getränk lief ihr angenehm über die Zunge und die Kehle hinunter. So angenehm, dass sie noch einen Schluck nahm und noch einen, bis sie den Becher ausgetrunken hatte.
    Sie würde Thora nach dem Rezept des Heiltranks fragen und auch, wofür er gut war, denn er schmeckte gut und war angenehm zu trinken. Etwas, das man sonst von Heiltränken gerade nicht sagen konnte. Margriet dankte Elspeth und kletterte ins Bett, fest entschlossen, ihre letzte Nacht auf einer weichen Matratze zu genießen. Sie würden ungefähr fünf Tage lang reiten müssen, bis sie irgendeine Stadt oder ein Dorf erreichten, das ihnen solche Bequemlichkeit bot. Fünf oder sechs Nächte, in denen sie auf der harten und immer kälter werdenden Erde schliefen. Margriet schauderte bei dem

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