Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
Vom Netzwerk:
grausige Weise zusammenzufügen. Der Prolog Vallorys bot die erste Motivhypothese, die nicht ausschließlich auf Spekulationen beruhte. Zudem stimmte dieses Motiv mit Gurneys wachsender Überzeugung überein, dass Jillian aus Rache wegen früherer sexueller Vergehen – ihrer eigenen oder der Mapleshade-Schülerinnen ganz allgemein – ermordet worden war. Und dass Scott Ashton diese Botschaft kürzlich noch einmal bekommen hatte, sprach dafür, dass der Mord lediglich ein Teil eines komplexen Unternehmens war – eines Unternehmens, das noch nicht abgeschlossen war.
    Vielleicht deutete Gurney zu viel in den Text hinein, doch plötzlich beschlich ihn eine böse Ahnung. Möglicherweise hatte die Tatsache, dass das erhaltene Bruchstück von Vallorys Drama ausgerechnet der Prolog war, mehr als nur zufällige Bedeutung. Sollte er etwa auch als Ankündigung bevorstehender Ereignisse dienen – als Hinweis auf zukünftige Morde?
    Er klickte auf »Antworten« und schrieb an Peggy Meeker: »Was ist sonst noch über das Stück bekannt? Handlung? Figuren? Kommentare von Vallorys Zeitgenossen?«
    Zum ersten Mal in dem Fall spürte Gurney eine unleugbare Erregung – und den unwiderstehlichen Wunsch, Sheridan Kline anzurufen. Er gab die Nummer ein.
    »Er ist in einer Konferenz.« Ellen Rackoff sprach mit dem Selbstvertrauen einer erfahrenen Türhüterin.
    »Es gibt eine Entwicklung im Fall Perry, von der er sicher erfahren will.«
    »Können Sie sich deutlicher ausdrücken?«
    »Möglicherweise wird eine Mordserie daraus.«
    Eine halbe Minute später war Kline am Telefon – nervös, hektisch und neugierig. »Was erzählen Sie da – eine Mordserie?«
    Gurney berichtete von der Vallory-Entdeckung und wies auf den sexuell motivierten Zorn in dem Prolog sowie auf den möglichen Zusammenhang nicht nur zu Jillian, sondern auch zu den Vermissten hin.
    »Ist das nicht alles ziemlich weit hergeholt? Ich sehe eigentlich nicht, dass sich damit was verändert hat. Ich meine, heute Nachmittag haben Sie gesagt, dass Hector Flores vielleicht hinter allem steckt oder vielleicht auch nicht, dass wir aber keine gesicherten Fakten haben und für alles offen bleiben müssen. Wo ist auf einmal die Offenheit geblieben? Wieso soll es jetzt auf einmal eine Mordserie sein? Und außerdem, warum rufen Sie mich an und nicht die Polizei?«
    »Vielleicht hat sich einfach mein Blick geschärft, nachdem ich den Text von Vallory gelesen und den Hass darin gespürt habe. Oder es ist dieses Wort: Prolog. Ein Versprechen für die Zukunft. Dazu die Tatsache, dass Flores diese Nachricht vor ihrem Tod an Jillian und diese Woche noch einmal an Ashton geschickt hat. Der Mord vor vier Monaten erscheint plötzlich wie ein Teil von etwas Größerem.«
    »Glauben Sie wirklich, Flores hat diese Mädchen dazu überredet, unter dem Vorwand eines Streits das Elternhaus zu verlassen, damit er sie in aller Ruhe umbringen kann, ohne dass jemand davon Notiz nimmt?« Klines Stimme strahlte eine Mischung aus Sorge und Skepsis aus.
    »Solange wir sie nicht gefunden haben, ist es eine Möglichkeit, die wir ernst nehmen müssen.«
    Das konnte Kline als Politiker nur akzeptieren. »Etwas anderes käme für mich auch nie infrage.« Mit eindringlicher Stimme, als würde er vor laufender Kamera sprechen, fuhr er fort. »Ich kann mir nichts Ernsteres vorstellen als die Möglichkeit einer Entführungs- und Mordverschwörung – falls es sich hier wirklich um etwas Derartiges handelt, was ich nicht hoffe.« Dann wurde sein Ton misstrauisch. »Aber noch mal zurück zu meiner Protokollfrage, wieso wenden Sie sich an mich und nicht an das BCI ?«
    »Sie sind der einzige Entscheidungsträger, auf den ich mich verlassen kann.«
    »Warum sagen Sie das?« Kline war deutlich anzuhören, dass er sich geschmeichelt fühlte.
    »Die unterschwelligen Spannungen heute in diesem Konferenzraum waren der helle Wahnsinn. Letztes Jahr bei der Mellery-Geschichte habe ich schon gemerkt, dass sich Rodriguez und Hardwick nicht riechen können, aber was da inzwischen abläuft, lässt doch keine normale Arbeit mehr zu. Keine Spur von Objektivität. Wie ein Krieg, und ich habe den Eindruck, dass diese Leute jede neue Entwicklung nur im Hinblick auf die Frage zur Kenntnis nehmen, welcher Seite sie nützt. Sie sind offenbar nicht in diese Grabenkämpfe verwickelt, also rede ich lieber mit Ihnen.«
    Kline zögerte. »Sie wissen nicht, was mit Ihrem Kumpel passiert ist?«
    »Kumpel?«
    »Rodriguez hat ihn wegen Alkohol

Weitere Kostenlose Bücher