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Schlink,Bernhard

Schlink,Bernhard

Titel: Schlink,Bernhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sommerlügen
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nicht wirklich geglaubt, aber es hat sie doch
beschäftigt, und daher hat sie mich manchmal danach gefragt und manchmal mit
ihrer Freundin darüber gesprochen. Nach ihrem Tod hat es die Freundin der
Polizei erzählt.«
    »Das
war alles?«
    »Die
Polizei hat das Geld auf meinem Konto gefunden. Als die drei Millionen
eingingen, versuchte ich sofort, sie zurückzuüberweisen. Aber sie waren bar
eingezahlt worden, in Singapur oder Delhi oder Dubai, und konnten nicht
zurücküberwiesen werden.«
    »Jemand
hat einfach so drei Millionen auf Ihr Konto überwiesen?«
    Er
seufzte. »Als wir uns kennenlernten, hat der Attache manchmal Witze gemacht und
den Beduinen gespielt, der noch nach seinen Gepflogenheiten lebt. Ah, schöne
blonde Frau! Tauschen Frau? Wollen Kamele? Ich habe das Spiel mitgespielt, und
wir haben gehandelt und gefeilscht. Den Preis eines Kamels haben wir mit
dreitausend angesetzt, und den Preis meiner Freundin habe ich auf tausend
Kamele hochgetrieben. Es war ein Spiel.«
    Ich
traute meinen Ohren nicht. »Ein Spiel? Bei dem Sie schließlich lachend okay
gesagt und eingeschlagen haben? Und als Sie nach Kuwait reisten, hatten Sie
keine Angst, dass aus dem Spiel Ernst wird?«
    »Angst?
Nein, ich hatte keine Angst. Ich war ein bisschen neugierig, ob er das Spiel
weiterspielen und mir tausend Kamele zeigen oder Rennpferde oder Sportwagen
anbieten würde. Gekitzelt hat's mich, aber nicht geängstigt.« Er legte mir
wieder die Hand auf den Arm. »Ich weiß, dass ich einen furchtbaren Fehler
gemacht habe. Aber wenn Sie den Attache kennen würden, würden Sie mich
verstehen. In England auf einer Public School erzogen,
gebildet, witzig, weltläufig - ich dachte wirklich, wir spielen ein harmloses
interkulturelles Spiel.«
    »Aber
als Ihre Freundin verschwunden war... Jedenfalls, als das Geld kam, wussten
Sie, wer sie hatte. Wann kam es?«
    »Als
ich aus Kuwait zurückkam, war es auf meinem Konto. Was hätte ich machen sollen?
Nach Kuwait fliegen und dem Attache sagen, er solle sein Geld wieder nehmen und
mir meine Freundin wiedergeben? Mich, wenn er mir ins Gesicht lacht, beim Emir
beschweren? Unseren Außenminister bitten, er soll mit dem Emir sprechen? Hätte
ich ein paar Kerle von der Russenmafia engagieren und mit ihnen die Anlage
aufrollen sollen, in der der Attache gewohnt und sie vermutlich gefangen
gehalten hat? Ich weiß, ein richtiger Mann, der seine Frau liebt, haut sie
raus. Wenn er dabei zugrunde geht, geht er dabei zugrunde. Besser mit Anstand
sterben als in Feigheit leben. Ich weiß auch, dass ich mit drei Millionen
eigentlich genug Geld hatte, um mir die Russen und die Waffen und den
Hubschrauber und was man sonst noch braucht zu besorgen. Aber das ist Film. Das
ist nicht meine Welt. Das kann ich nicht. Die Kerle von der Russenmafia würden
mir einfach mein Geld abnehmen, und die Waffen wären verrostet, und der
Hubschrauber hätte einen Getriebeschaden.«
     
    7
     
    Ich
hatte die Motoren vergessen. Aber der Pilot hatte das falsche Brummen auch
gehört und vielleicht Lämpchen aufleuchten und Zeiger ausschlagen gesehen. Er
meldete sich aus dem Cockpit und kündigte an, wir würden in einer Stunde in
Reykjavik landen. Es bestehe kein Grund zur Sorge; mit dem kleinen Problem, das
es vielleicht gebe, könnten wir bis Frankfurt fliegen, aber zur Sicherheit
wolle er es in Reykjavik prüfen lassen.
    Die
Ankündigung ließ die Passagiere unruhig werden. Kein Grund zur Sorge? Warum
lande er, wenn wir weiterfliegen könnten? Könnten wir doch nicht
weiterfliegen? Sei die Situation dann nicht doch gefährlich? Andere tauschten
aus, was sie über Reykjavik und Island wussten, über die hellen Sommer und die
dunklen Winter, die Geysire und die Schafe, die Islandponys und das Islandmoos.
Rücklehnen wurden hochgefahren, Tische und Monitore ausgeklappt, Stewardessen
gerufen. Die Passagiere wurden munter, laut, geschäftig. Bis einer entdeckte,
dass aus einem Triebwerk schwarzer Rauch kam. Die Nachricht ging von Mund zu
Mund, und wer sie weitergegeben hatte, verstummte. Binnen kurzem war es im
Flugzeug still.
    Mein
Nachbar flüsterte: »Vielleicht hat im Gewitter ein Blitz ins Triebwerk
eingeschlagen. Ich habe mir sagen lassen, das kommt oft vor.«
    »Ja.«
Auch ich flüsterte. Ich meinte, das Triebwerk knirschen zu hören, als sei ihm
etwas in die Turbine geraten, das es vergebens versuche kleinzumahlen. Als sei
es verletzt und erschöpft und könne nicht mehr. Ich hatte Angst, und zugleich
ergriff mich das

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