Schloss der Engel: Roman (German Edition)
Zimmer.
»Und sag Prinzessin Nimmerschön, dass sie mich kreuzweise kann!« Ich hätte ihn bestimmt auch noch die Treppe hinuntergeschubst, wenn Raffael nicht aufgetaucht wäre.
»Wenn du wütend bist, kannst du ganz schön furchterregend sein«, scherzte er. Vermutlich, um mich zu besänftigen, doch ich war im Augenblick nicht zu Späßen aufgelegt.
»Und wenn du glaubst, ich bräuchte einen Babysitter, dannliegst du falsch! Ich komm gut allein zurecht. Also verpisst euch! Alle beide!«
Ein weiterer Tritt und die Tür flog lautstark ins Schloss.
Ich ließ meinen Kopf gegen das Türblatt sinken. Ich hätte alles für ein wenig Hilfe gegeben, auch wenn es nur ein Traum aus der Engelswelt gewesen wäre, um meine Erinnerungen aufzufrischen. Bald würde ich nicht mehr wissen, in welcher Farbe Christophers Augen funkelten, wenn auf seiner Stirn die steile Falte erschien, während er mich nachdenklich anschaute.
Ich schob meine trüben Gedanken beiseite – sie würden mir nicht weiterhelfen – und durchsuchte mein Zimmer. Vor allem den Schreibtisch. Abgesehen von meinem Schokoladenostereiervorrat, Papiertaschentüchern und ein paar Bleistiften fand ich nichts Verdächtiges. Vorsichtshalber entsorgte ich die Schokoeier im Müll. Auch wenn ich damit auf mein abendliches Trostpflaster verzichten musste. Vielleicht hatte Timothy etwas mit ihnen angestellt, damit ich während des Balls über der Kloschüssel anstatt an Raffael hing.
Am nächsten Morgen traf mich beim Blick in den Spiegel der Schlag. Fleckig, wie ein rot-weißer Fliegenpilz, starrte mir mein Spiegelbild entgegen.
Hannah! Ich kochte vor Wut. Timothy hatte nichts unter die Ostereier, sondern in meinen Cremetiegel gemischt. Als meine ehemalige Mitbewohnerin wusste Hannah, dass ich mich jeden Abend eincremte. Und mit diesem Gesicht konnte ich mich allerhöchstens auf einer Halloweenparty blicken lassen – auf keinen Fall beim Abschlussball. Hannahs Hohngelächter konnte ich schon hören.
Statt mit den anderen den Ballsaal zu dekorieren, verkrümelte ich mich an meinen Schreibtisch und sortierte meine liegengebliebenen Sachen. Eigentlich wollte ich das Klopfen an meiner Tür überhören, aber Marisa überzeugte mich dann doch, ihr aufzumachen.
»Oh nein! Was hast du denn gemacht?!« Trotz ihres Mitleids konnte sie ein Grinsen nur schwer zurückhalten.
»Frag nicht mich, frag Hannah! Zumindest nehme ich an, dass sie es war, die ihr Chemieexperiment in meinen Cremetiegel mischen ließ. Damit kann ich ja wohl kaum zum Abschlussball.«
»Du räumst also widerstandslos das Feld, überlässt ihr Raffael und gönnst Hannah den Sieg?!«
Raffael. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. »Soll ich etwa so mein Zimmer verlassen?«
»Wenn du mutig bist und nicht klein beigeben willst: ja! Aber diese Pickel kann nicht mal das beste Make-up verdecken.«
»Ich hab gar keins dabei.«
»Du kannst meines nehmen. Ich helf dir auch beim Auftragen.«
Ich willigte ein. Hannah sollte nicht glauben, dass ich mich so schnell geschlagen gab. Doch bevor Marisa mich verwandelte, wollte ich noch mit Raffael reden.
»Was? Vorher?« Marisa betrachtete mich mit einem schiefen Blick. »Bist du sicher, dass er dich vor der Make-up-Behandlung sehen soll?«
»Ja. Vollkommen.«
Marisa hatte alles gegeben, aber ich sah immer noch aus wie ein Streuselkuchen. Raffael verzog keine Miene, als er mich abholte – schließlich hatte er mich ungeschminkt gesehen. Souverän schritt er neben mir die Treppe hinunter und führte mich durch den mit Rosensträußen, bunten Fächern, roten Samtschals und schwarzen Spitzentischdecken herausgeputzten Festsaal zu unseren Plätzen.
Ein paar Jungs und auch einige Mädchen, die nicht so sehr durch Raffael abgelenkt waren, warfen mir neugierige Blicke zu. Die Gruppe, die sich um Hannah scharte, hielt sich nicht so sehr zurück und kicherte lauthals – abgesehen von Timothy. Wenigstens er hatte Gewissensbisse. Ganz im Gegensatz zuHannah. Ihr Lächeln gefror, als sie mich entdeckte. Sie hatte wohl gehofft, ich würde gar nicht erst erscheinen.
Wie versprochen, tanzte ich die ersten drei Runden mit Raffael. Dann verzog ich mich auf mein Zimmer und schmiedete Rachepläne, die ich hinterher wieder verwarf – schließlich wollte ich nicht so werden wie Hannah. Stattdessen freute ich mich, dass nicht ihr Plan, sondern meiner aufgegangen war. Wenigstens ein Mädchen schlief an diesem Abend glücklich ein: Nachdem Raffael sich am Vormittag von meinem ersten
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