Schloss der Engel: Roman (German Edition)
Verlegenheit, indem ich mich auf Markus statt auf Christopher konzentrierte. Doch ich war viel zu abgelenkt, um auch nur annähernd irgendeine Bewegung kopieren zu können. Mehrmals glitt der Stab aus meinen zitternden Fingern.
Erika und Markus bemühten sich erfolglos, ihr Gekicher zu unterdrücken. Selbst Susan grinste. Christopher zuckte nicht einmal mit den Wimpern – er ignorierte mich.
Nach dem Kurs sprach Markus mich an. Offenbar suchte er Anschluss.
»Und, wie findest du unseren Trainer?«
»Gut, und danke, dass ihr mich nicht aus eurer Gruppe geschmissen habt«, lenkte ich ab. Auf keinen Fall wollte ich über Christopher reden.
»Nichts zu danken. Es war sehr lustig, dir zuzusehen.«
»Das glaub ich sofort. Schließlich war es ja nicht eure Schuld, dass ich mich lächerlich gemacht hab.«
Markus’ blasse Haut wurde um einen Tick heller, so dass er mit seinen dunklen Haaren aussah, als wäre er einem Schwarzweißfilm entsprungen. Anscheinend wusste er, wovon ich sprach.
»Hat man dich auch mit ein paar Streichen begrüßt?«, fragte ich.
»Hier? Nein. Warum? Dich etwa?«
»Na ja, am Anfang. Obwohl ich finde, dass auch einige der Kurse gewöhnungsbedürftig sind.«
»Klar. Aber das ist ja gerade das Coole. Ich bin so froh, dass ich hier gelandet bin. Noch nie hat mir Schule so viel Spaß gemacht, dir etwa nicht?«
»Ich dachte, du wärst gerade dabei gewesen!«
Wie erwartet, begann Markus zu lachen. Das Rekrutierungsprogramm für zukünftige Schüler war bei ihm wohl erfolgreich.
Vor der Sporthalle wartete Susan. Ihre Miene verhieß nichts Gutes.
»So, du wirst also schon mit dem Schwert unterrichtet und kannst dir das Lanzentraining sparen!«
Sie war sauer und glaubte, dass ich sie belogen hatte. Doch mir fehlte im Moment die Geduld, mich auf eine längere Diskussion einzulassen. So entschuldigte ich mich nur mit einem knappen: »Es tut mir leid. Das war nicht meine Absicht«, bevor ich zum Gelben Haus eilte.
Mein Bedürfnis, allein zu sein, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, war größer als der Wunsch, mich zu rechtfertigen: Ich wurde in martialischer Waffenkunde unterrichtet, von einem Lehrer, dem ich auf die Nerven ging – der mir aber den Atem raubte –, und ich hatte keine Ahnung, wie ich gegen seine Unwiderstehlichkeit immun werden sollte. Also schnappte ich mir am Buffet einen Apfel und ein paar Müsliriegel und verkroch mich in meinem Zimmer.
Arons himmelblauer Zettel leuchtete mir vom Schreibtisch entgegen. Mentaltraining . Das konnte ja heiter werden!
Es wurde schlimmer als befürchtet. Christopher wurde mir und Markus als Spezialcoach überstellt. Markus befolgte eifrig Christophers Anweisungen, was ihm ein Lob unserer Kursleiterin einbrachte. Allerdings erwartete sie von mir jetzt dieselbe Begeisterung.
»Konntest du eine Veränderung bei Christopher fühlen?«, hakte sie nach.
Ich schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf. Sehen – ja, fühlen – nein. Ich hatte mich Christophers Nähe entzogen und auf das Beobachten von ihm und Markus beschränkt. Schlimm genug,dass ich zuschauen musste, wie er mich unergründlich musterte, während er mit Markus übte.
Frau Klar kniff die Augen zusammen. »Zeig mir, wie du vorgehst«, verlangte sie.
Ich versteifte mich, als Christopher mir seine Hände anbot.
»Nun, worauf wartest du?« Der ungeduldige Tonfall meiner Lehrerin ermahnte mich, zu handeln.
Christopher bemerkte meine abweisende Reaktion und zog fragend eine Augenbraue nach oben. Ich blieb weiterhin reglos sitzen. Ich konnte ihn nicht berühren – schließlich war ich auf Entzug!
Obwohl meine Ablehnung offensichtlich war, ergriff Christopher meine Handgelenke und führte meine Finger an seine Schläfen.
»Schließ deine Augen und konzentrier dich auf Christopher«, befahl Kassandra Klar.
Ich wehrte mich nicht – äußerlich. Innerlich jedoch kämpfte ich gegen den Gefühlssturm, den seine Nähe, sein Duft, seine warme Haut unter meinen Fingerspitzen entfachte. Ich biss die Zähne zusammen, um meine Gefühle zu unterdrücken, wusste ich doch, dass sie mir nichts als Kummer einbrachten.
»Fühlst du etwas?« Frau Klars Stimme klang fordernd.
Ich nickte – und ob ich etwas fühlte!
»Gut. Übt weiter«, entschied sie.
Meine Fingernägel gruben sich ungewollt in Christophers Stirn, bis er meine Hände von seinen Schläfen löste – erleichtert atmete ich auf.
»Es tut mir leid, wenn es dir zuwider ist, mit mir zu arbeiten. Ich werde Kassandra bitten, dir
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