Schloss der Liebe
merkte sie, wie sie keuchte. Leute standen um sie herum und starrten, sogar die Hühner und Hunde waren verstummt.
Bedächtig schob er den Dolch wieder in seine Scheide zurück und kam langsam auf sie zu.
Unmittelbar vor ihr blieb er stehen. Sie bewegte sich nicht. »Hast du mich nicht verstanden?«
Sie starrte auf seinen Hals.
»Du wagst es, mir noch einmal zu drohen?«
»Zu schade, dass ich nicht getroffen habe.«
Er packte sie am Arm und ging so rasch davon, dass er sie mitschleifte. Vergeblich versuchte sie, sich loszumachen. Der Ärmel ihres Kleids riss an der Schulter ab, doch er fasste ihren nackten Oberarm nur umso fester und beschleunigte seinen Schritt noch. Als sie zu den Ställen kam, rief er Tuggle zu, er solle sein Pferd satteln.
Dann blieb er stehen, sah sie an und schüttelte den Kopf. »Ich werde dich mit hinunter zum Strand nehmen und dir dort eine Tracht Prügel verpassen. Ich sollte dich hier vor allen Leuten züchtigen, damit alle wissen, dass ich hier der Herr bin, aber ich möchte es mir mit niemandem verderben. Am Ende kommt MacDear noch auf die Idee, mich zu vergiften.«
»Du willst mich also zu Tode prügeln, wie mein Vater es mit meiner Mutter getan hat? Nur zu, Severin. Und was wirst du sagen, was für einen Grund du dazu hattest? Du weißt, dass mein Vater meine Mutter im Bett des Falkners erwischt hat. In diesem Fall bist du es, der in einem anderen Bett lag. Und ich bin es, die dich erschlagen sollte.«
Aus der Tiefe seiner Kehle kam ein Knurren. »Wann wirst du lernen, deine Zunge im Zaum zu halten?«
Tuggle führte Severins mächtiges Streitross aus dem Stall, das schon schnaubte und mit den Hufen stampfte.
Severin hob Hastings hoch, warf sie über den Sattel und saß hinter ihr auf. Er hielt sie quer über seinen Beinen, das Gesicht nach unten.
Gwent kam ihnen nachgelaufen und rief: »Mein Lord, soll ich Euch begleiten? Wohin wollt Ihr?«
»Höchst erstaunlich, dass ein Mann, der mir zu Treue verpflichtet ist, dich vor mir in Schutz nehmen will«, knurrte er.
»Ich werde mich übergeben, wenn ich noch lange auf dem Bauch liegen muss, Severin.«
»Wir reiten hinunter zum Strand, damit wir uns ungestört unterhalten können, Gwent. Lass uns vorbei.« Severin legte ihr die flache Hand ins Kreuz und drückte dem Pferd seine Fersen in die Hanken. Das Letzte, was Hastings von Oxborough sah, war Lady Marjorie, die auf den Stufen zum Wohnturm stand.
Hastings musste nicht erbrechen. Der Schwindel, den ihr der ungewohnte Ritt zufügte, verging rasch wieder, als Severin seinen Hengst an der höchsten Stelle der Klippe anhielt. Von hier aus führte ein Weg zum Strand hinunter. Er zog sie vom Pferd.
»Es ist zwecklos, Widerstand zu leisten«, sagte er warnend und schüttelte sie. »Komm.«
Energisch schob er sie vor sich her den engen Steilpfad hinunter. Zweimal geriet sie ins Stolpern, aber er fing sie beide Male rechtzeitig auf.
Unten am Strand angekommen tat sie, als verlöre sie den Halt. Er lockerte seinen Griff etwas, was sie nutzte, um seine Hand abzuschütteln und davonzulaufen. Ihr
Fuß stieß gegen ein Stück Treibholz und Schmerz schoss ihr durch die Zehen. Sie rannte immer weiter. Doch allmählich begann sie, wieder klarer zu denken. Es gab keinen anderen Weg zurück als den einen schmalen Steilpfad. Vor ihr waren nichts als blanke Felsen und die glattgeschliffene Klippe. Felsen ... Steine! Dieses Mal würde sie treffen.
Sie blieb jäh stehen und drehte sich um. Er kam gemessenen Schrittes auf sie zu. Er wusste, dass sie nicht entkommen konnte, und ließ sich Zeit. Sie hob einen kleineren Felsbrocken auf und wartete.
Ihm war nicht entgangen, was sie getan hatte. Doch anstatt langsamer zu gehen, beschleunigte er seinen Schritt.
»Leg den Stein weg, Hastings!«, rief er. Seine Stimme übertönte stark und laut das Geräusch der sanften Wellen, die wenige Schritte neben ihnen auf den Strand rollten. Hier unten war es kühl. Die Meeresbrise fuhr durch ihr Haar und wehte ihr Kleid gegen ihre Beine.
Nach Luft ringend umklammerte sie den Stein fester. Es musste doch irgendetwas anderes geben, das sie tun konnte, als hier zu stehen und zu warten, bis sie ihm den Stein entgegenschleudern konnte, dem er dann mit Leichtigkeit ausweichen würde.
Was sollte sie tun?
Sie dachte gar nicht daran, wie eine angepflockte Ziege darauf zu warten, dass er sie packte und schlug. O ja, sie war sich sicher, dass er sie schlagen würde. Sie konnte sehen, wie wütend er war, erkannte
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