Schloss der Liebe
habe keinen Mann verloren, aber vier wurden verletzt.« Graelam lehnte sich in Hastings' Stuhl zurück, leerte seinen Kelch, wischte sich über den Mund und zeigte ein breites, zufriedenes Grinsen. »Ah, es war das reinste Vergnügen. Mit dem, was wir von Osbert wussten, konnten wir ihn in einen Hinterhalt locken. Sie waren gerade beim Essen. Es waren nur zwanzig Männer. Wir schnappten uns die Wachen, und der Rest war ein Kinderspiel.« Graelam rieb sich die Hände. »O ja, es war gut, meinen Arm wieder ein wenig Bewegung zu verschaffen. Ein bisschen Blutverlust macht den Geist eines Mannes klar und lässt ihn alle Wehwehchen vergessen.«
Ruhig und gemessen erhob sich Severin, fasste das Ende des langen Esstischs mit seinen mächtigen Händen, wuchtete ihn hoch und schleuderte ihn von sich; er prallte gegen die große silberne Waschschüssel, die daneben stand. Das parfümierte Wasser ergoss sich über den schlafenden Wolfshund Edgar, der erschrocken die Augen aufriss. Wild knurrend sprang er auf, bereit, dem Feind an die Gurgel zu springen.
»Genug, Severin, genug! Beherrscht Euch. Ich werde nicht zulassen, dass Ihr den Wohnturm zu Kleinholz verarbeitet.«
Severin wandte sich um und sah seine ihm frisch angetraute Ehefrau, die am Boden kniete und die Schüssel aufhob. Ihr üppiges Haar, das ihr in dichten Locken über die Schulter hing, berührte beinahe die auf dem Boden ausgestreute Binsen. Die verfluchte Schale fest an sich drückend, sah sie zu ihm auf. »Ihr habt sie verbogen! Sie gehörte meiner Großmutter. Ich hänge sehr an ihr. Ich habe sie poliert, ich habe ...«
Er stieß einen langen und lauten Huch aus, um dann zu Graelams großem Erstaunen, der ihn noch nie so erlebt hatte, loszubrüllen: »Haltet den Mund, Hastings! Das hier geht Euch überhaupt nichts an. Holt mein Schwert. Ich werde diesem räudigen Hund, diesem Verräter, den ich für meinen Freund hielt, den Kopf abschlagen.« Der Wolfshund knurrte. Diener und Soldaten drückten sich an die Wände und fragten sich, was geschehen würde und ob sie eingreifen sollten.
»Warum?« Hastings war aufgestanden und versuchte, die Schale geradezubiegen. »Weil er es gewagt hat, ohne Eure hochwohlgeborene Erlaubnis zu handeln? Weil er wusste, dass ihr Euch sonst in den Kampf stürzen und wieder Fieber bekommen würdet? Sagt mir, Mylord, was Euch dermaßen erzürnt? Besitzt Ihr denn keinen Verstand, keine Vernunft?«
Er stürzte sich auf sie, griff sie unter den Armen, hob sie hoch und schüttelte sie. »Ihr werdet sofort Eure Zunge im Zaum halten, sonst nehme ich Euch hier und jetzt, auf diesem Tisch, und der verdammte Wolfshund wird Euer Blut wittern und jaulen.«
Alle Farbe schwand aus ihrem Gesicht, das weißer wurde als das Brot, das sie am Morgen gegessen hatte. Er schüttelte sie weiter.
»Lasst sie herunter, Severin.« Graelams Hand legte sich auf seine Schulter - auf der verwundeten Seite -und drückte fest zu. »Lasst sie. Was redet Ihr da? Wollt Ihr sie im Großen Saal vor allen ihren Leuten bloßstellen? Würdet Ihr sie verletzen, bis sie blutet? Ist es das, was Ihr im Sinn habt?«
Hastings ertrug es nicht länger. Sie würde ihn umbringen. Sie hörte auf Widerstand zu leisten und hing schlaff zwischen Severins Händen. Das Schütteln und Graelams schwere Hand weckte den Schmerz in seiner Schulter, der in heißen Wellen durch seinen Körper fuhr. Zögernd ließ er sie herunter und setzte sie auf dem binsenbedeckten Boden ab.
Ihre Augen waren vor Zorn beinahe schwarz. Mit ohnmächtiger Wut und aller Kraft, die sie aufbieten konnte, versetzte sie ihm einen heftigen Tritt gegen das Schienbein. Für einen Augenblick blieb ihm die Luft weg und er taumelte zurück. Dann beugte er sich vor und rieb sein Schienbein. »Dafür werdet Ihr zahlen, Madam«, zischte er durch die Zähne, die so fest zusammengebissen waren, dass sie ihn kaum verstand.
Sie war sich bewusst, dass sie mit Folgen zu rechnen hatte, nur kannte sie ihn noch nicht gut genug, um einzuschätzen, wie diese Folgen aussehen würden. Sie drehte sich um und rannte aus dem Saal.
»Severin, Ihr werdet Euch jetzt hinsetzen, die Augen schließen und an Eure Schulter und Euer Schienbein denken. Sie hätte Euch zwischen die Beine treten können, aber Ihr hattet Glück, sie hat Euch geschont.«
»Sie hat mich nicht zwischen die Beine getreten, weil sie wusste, dass das ihr Ende gewesen wäre. Außerdem bin ich viel zu schnell, ich hätte mich schon rasch genug vor ihren Knien in
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