Schloss der Liebe
schönsten Frauen, die Hastings in ihrem Leben gesehen hatte. Ihre Haare waren so hell, dass sie im Sonnenlicht beinahe weiß aussahen. Auf dem Kopf trug sie eine weiße Riese, das Schleiertuch unter dem Kinn befestigt, und schien noch jung zu sein, höchstens fünf Jahre älter als Hastings; sichtlich war sie eine gute Reiterin. Sie trug ein grünes Kleid aus weichfließendem Stoff mit langen, losen Ärmeln, die fast bis zum Boden reichten. Mühsam stieg Burnell ab. Dann schüttelte er seine steifen Glieder, sah zu ihr hinauf und nickte. Die Zügel übergab er einem der Stalljungen.
»Mylady«, begrüßte Burnell Hastings mit einem breiten Lächeln. Er kannte sie seit ihrer Geburt, auch wenn er sie in den vergangenen zehn Jahren kaum zu Gesicht bekommen hatte. »Dies ist Lady Marjorie, die Witwe von Sir Mark Outbraith. König Edward schickt sie, damit sie sich Eloise von Sedgewick annimmt. Ist das das Mädchen?«
Eloise drängte sich dicht an Hastings.
»Eloise«, sagte Hastings, »Liebes, dieser Mann hier ist sehr nett und steht im Dienst des Königs. Er wird dir bestimmt nichts tun.«
»Was ist los mit ihr?«, erkundigte sich Robert Burnell und schaute aufmerksam Eloise an, die Hastings Bein fest umklammert hielt.
»Von ihrem Vater wurde sie geschlagen, und ihre Mutter zwang sie, den größten Teil des Tages kniend mit Beten zu verbringen. Langsam beginnt sie, Vertrauen zu fassen, aber sie braucht noch viel Zeit.«
»Das arme kleine Ding«, sagte Lady Marjorie. Ohne den Schmutz auf den Stufen zu beachten, ließ sie sich auf die Knie nieder und blickte fest in Eloises blassblaue Augen.
»Du und ich«, sagte sie langsam und bedächtig, »wir werden bestimmt gute Freunde werden. Du kannst mich Marjorie nennen.« Sie griff in die Tasche ihres herrlichen Mantels und holte ein Tuch hervor. Wohl wissend, dass Eloise sie beobachtete, schlug sie es langsam auseinander. Zum Vorschein kamen mit Honig überzogene Mandeln. »Nur eines, Eloise, immer nur eines, dann halten sie länger vor und du hast immer etwas, worauf du dich freuen kannst.«
Zögernd streckte Eloise die Hand aus, nahm sich eine Mandel und betrachtete sie eingehend. Kaum hatte sie sie in den Mund gesteckt, schloss sie schon verzückt die Augen.
Marjorie lächelte und erhob sich. »Ihr seid Hastings von Oxborough?«
»Ja. Ihr habt nicht lange auf Euch warten lassen.«
Robert Burnell beeilte sich zu erklären: »Wir werden bis morgen bleiben, Hastings, und dann nach Sedgewick weiterreiten. Lady Marjorie wird Eloises Vormund sein, bis sie volljährig ist. Wo ist Lord Severin?«
»Er besucht seine anderen Besitzungen.«
Das Abendessen war unbehaglich. Robert Burnell saß auf Severins Stuhl, während Lady Marjorie Eloises' Platz einnahm und das Kind auf dem Schoß hatte. »Wie mager sie ist«, meinte Marjorie.
»Ihr hättet sie sehen sollen, als sie nach Oxborough kam.«
»Das erscheint mir alles sehr eigenartig. Nun ja, ich bin sicher, dass sich alles einrenken wird, wenn wir erst auf Sedgewick sind.«
Wofür hält sie mich, dachte Hastings, für eine Hexe, die das Kind in Angst und Schrecken versetzt und verhungern lässt? Ihr behagte nicht, dass Eloise nach Sedgewick zurückkehrte. Dort hielt sich Beale auf. Hastings hatte ebenso viel Angst vor ihr wie Eloise, und wahrscheinlich mit gutem Grund. Nachdem sie reich und ausgedehnt getafelt hatten, berichtete sie Robert Burnell von Beale. Er sagte zunächst nichts, dann meinte er achselzuckend: »Ich werde sie hängen. Damit müsste das Problem gelöst sein. Du sagtest doch, dass sie dir gedroht hat, nicht wahr, Hastings?«
»Schon, Sir, aber diese Strafe erscheint mir selbst für Beale zu hart. Könnte Eloise nicht einfach hier bleiben? Es ist sehr freundlich von Lady Marjorie, dass sie gekommen ist, aber auch ich könnte Ihr Vormund sein, bis sie in heiratsfähigem Alter ist. Severin wird sie und ihren Besitz beschützen.«
»Tut mir Leid, aber Seine Majestät hat es so beschlossen. Außerdem bist du gerade jung verheiratet. Du und Severin, ihr werdet eure eigenen Kinder haben. Was solltest du mit einem Kind anfangen, das nicht dein eigenes ist?«
»Ich habe Eloise ins Herz geschlossen. Sie hat kein leichtes Leben hinter sich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mit einer Fremden auf Sedgewick glücklich wäre. Bitte, Sir ...«
»Hastings, du verstehst das nicht. Seine Majestät ist
Sir Mark Outbraith sehr verpflichtet. Vor vier Jahren ist er mit seinen Leuten dem König zu Hilfe geeilt,
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