Schloss der Liebe
er ihm von den vorzüglichen Möhren, die im Garten wachsen, dachte Hastings. Sie mochte Mark. Leider konnte er sich nicht dazu überwinden, mit ihr zu sprechen. Immer wenn er dazu ansetzte, öffnete er den Mund, fing an zu stottern und machte den Mund wieder zu.
Severin war barhäuptig; seine graue Tunika und sein Kettenhemd leuchteten hell in der Mittagssonne. Ihre Augen begegneten sich und sie sah, wie müde er war. Dennoch schien sich der Blick seiner dunkelblauen Augen für einen Moment aufzuhellen. Der Ratschlag, den Dame Agnes ihr gegeben und dem Alice lebhaft zugestimmt hatte, ging ihr nicht aus dem Kopf: »Wenn der junge Lord zurückkommt, wirst du ihn mit einem Lächeln begrüßen und sehen, dass es ihm an nichts fehlt.
Ihr werdet ihn nach seiner Reise fragen und freudigen Anteil an seinem Bericht nehmen. Du könntest auch in Betracht ziehen, ihn zu küssen, aber wie ich dich kenne, wirst du nur die Lippen spitzen und ihn denken lassen, er hätte in einen sauren Apfel gebissen.«
Ihn küssen? Sie hatte viel darüber nachgedacht. Wenn sie sich einen kleinen Ruck gab, konnte sie es bestimmt. Aber was, wenn er sie von sich stieße? Was, wenn er sie einfach auslachte oder ihr sagte, dass sie ihn langweile oder dass es ein ganz gewöhnlicher Kuss gewesen sei?
»Severin!«
Suchend blickte er sich um. Sie rief seinen Namen ein zweites Mal, und er drehte sich zu ihr um. Vor Überraschung blieb ihm der Mund offen stehen. Sie lachte, raffte ihre Röcke und eilte die ausgetretenen Stufen hinab.
»Wie schön, dass Ihr wieder da seid!«, rief sie, ohne ihren Schritt zu verlangsamen. Sie rannte auf ihn zu, sprang hoch, schlang ihm die Arme um den Hals und drückte ihn, bis sie sich fragte, ob sie ihn nicht erwürgte. Sie hing an seinem Hals, die Füße über dem Kopfsteinpflaster des Burghofs. Schließlich schloss er zögernd die Arme um sie.
»Ich bin froh, dass Ihr wieder zu Hause seid«, wiederholte sie und küsste ihn erst auf den Hals, dann auf sein rechtes Ohr. »Ich habe Euch vermisst. Die Tage kamen mir endlos vor. Zwei Wochen. Ihr wart viel zu lange fort. Willkommen daheim, Mylord.« Sie küsste ihn auf die Wange, ganz dicht neben seinen Mund.
Erst jetzt ließ er sie los, fasste sie sanft an den Oberarmen und stellte sie vorsichtig auf den Boden. Ungläubig starrte er auf sie hinunter. Er studierte ihre freudestrahlenden Augen, in denen sich zwar keine Abgründe verbargen, die einen Mann in die Knie zwingen könnten - zumindest nicht, so weit er das sehen konnte -aber wenn er nicht blind oder vollkommen beschränkt war, schien es aufrichtige Freude zu sein, die er in ihnen entdeckte. Nicht zu vergessen die leichte Röte auf ihrem Gesicht, als schäme sie sich ein wenig ihrer Gefühle.
»Was ist passiert?«, fragte er schließlich, ohne ihre Arme loszulassen. »Habt Ihr einen meiner Männer umgebracht? Habt Ihr aus Versehen jemanden vergiftet? Hat MacDear die Ziege Gilbert mit einem Huhn verwechselt und sie gebraten? Wahrscheinlich wird sie einen alten Stiefel im Maul haben, wenn er sie serviert.«
Lachend umarmte sie ihn. »Nein, Ihr habt mir einfach nur gefehlt. Habt Ihr mich vermisst? Wenigstens ein kleines bisschen?«
»Nun gut, ein bisschen vielleicht. Der Zorn, mit dem ich Oxborough verließ, hat viele Tage angehalten.«
»Das tut mir Leid. Kommt, Mylord, ich habe Wein und einen köstlichen, in Mandeln geschmorten Kapaun für Euch. Er ist so zart, dass Ihr keinen Moment befürchten müsst, es sei die Ziege Gilbert.« Sie sah ihn von der Seite an, wandte sich ihm rasch zu, stellte sich auf die Fußspitzen und küsste ihn auf den Mund. Etwas ungeschickt, aber sie hatte den Mund getroffen. Sie spürte warme, weiche Lippen. So hatte sie es sich nicht vorgestellt, aber im nächsten Moment war es vorüber, und sie fragte sich, ob sie sich das nur eingebildet hatte.
Ihr warmer Atem strich über sein Kinn, als sie sagte: »Mandeln, Severin. Ihr mögt doch Mandeln?«
Er starrte auf ihren Mund. »Ihr habt also doch jemanden umgebracht, nicht wahr? Ihr habt den Priester erhängt, die Waffenkammer abgebrannt. Ihr habt unsere Wintervorräte vernichtet.«
Sie küsste ihn wieder. Er konnte ja scherzen, wer hätte das gedacht? Sie küsste ihn noch einmal. Sie hatte sich nicht geirrt. Sein Mund war unglaublich warm, genau wie sein Atem.
»Hastings«, sagte er und hörte hinter sich seine Männer lachen. Er sah auf und entdeckte Dame Agnes, die lächelnd auf den Stufen stand. »Wollt Ihr, dass ich mich gleich
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