Schloss der Liebe
lange bleibt er fort?«
»Zwei Wochen, vielleicht auch länger.«
»Wird er unterwegs auch Langthorne besuchen?«
»Nein, noch nicht. Das andere ist wichtiger.« Gwents Blick wanderte zu dem Schnitt auf seinem Unterarm, der nicht heilen wollte. Er war leichtsinnig gewesen. Bei Übungen mit der Stechpuppe hatte er sich mit seinem eigenen Schwert verletzt.
»Lasst mich das einmal ansehen, Gwent.«
Verblüfft sah er auf, doch dann wurde ihm klar, dass sie seinem Blick gefolgt war. Er hatte ein schmutziges Stück Stoff um seinen Arm gewickelt.
»Es ist nichts«, sagte er und stand auf. »Ich muss Zu sehen, dass die Männer ihre Arbeit machen. Severin hat es mir eigens aufgetragen.«
Ohne nachzudenken, drückte ihn Hastings auf die Bank zurück. »Ihr werdet nirgendwohin gehen, bevor ich nicht weiß, was Euch fehlt. Ich möchte nicht, dass Ihr an so etwas sterbt. Das Blut kann schlecht werden und dann den ganzen Körper vergiften. Haltet still, Gwent.«
Er ließ sie gewähren und gab keinen Ton von sich, als sie seine Wunde auswusch. Es war eine tiefe und hässliche Verletzung. Selbst als sie einen Sud aus Schnittlauch und Johanniskraut in seine Wunde rieb, verzog er keine Miene. Sie wusste, dass es weh tat. »Hört zu, Gwent. Ihr müsst diesen Verband sauber halten. Ich werde ihn jeden Abend wechseln, bis die Verletzung geheilt ist. Wenn Ihr nicht auf mich hört, könnte Euch diese Wunde durchaus das Leben kosten.«
Gwent lag bereits auf der Zunge zu sagen, dass sie eben ein Frau sei und deshalb jede kleine Schnittwunde oder Schramme gleich dramatisiere, aber er schwieg. Es stimmte, dass viele Männer an eigentlich harmlosen Verletzungen starben. Außerdem war sie die Herrin von Oxborough, Severins Frau, und er hatte sie gern. In all den Jahren hatte er seinen Herrn noch nie so aufgewühlt gesehen. Es war ihr gelungen, ihn völlig durcheinander zu bringen. Wenn er nicht bald einen Weg fände, ihrer Herr zu werden, hatte er Gwent anvertraut, sähe er sich noch gezwungen, ihr eine ordentliche Tracht Prügel zu verabreichen. Allerdings fürchtete er, dass sie daraufhin seine Eingeweide in einen Wasserfall verwandeln könnte, und wer wollte das schon?
Gwent stand auf, lächelte zu ihr hinunter und sagte: »Ich danke Euch, Hastings. Macht Euch keine Sorgen um Severin. Wenn es in einer der Burgen Ärger gibt, wird er mir eine Nachricht zukommen lassen. Ach, und nun Hastings, da Ihr meinen Arm so gut versorgt habt, stimme ich Euch zu. Ihr seid nicht zu stolz.«
»Haltet den Verband sauber, Gwent.«
»Das werde ich«, versicherte er. Er wandte sich um und entdeckte Torric, den Verwalter. »Das muss der Wurm sein, der in den Saal gekrochen kommt, um zu sehen, ob ich seinen elenden Betrug schon bemerkt habe. Bei den Zähnen des Heiligen Andreas, ich hasse Betrüger.«
Torric ein Betrüger? Er war seit fünf Jahren auf Oxborough. Ihr Vater hatte ihm vertraut. Sie lebten in großem Wohlstand, ihre Güter und Ländereien blühten und gediehen. Und Gwent hielt Torric für einen Betrüger? Das bedeutete, dass Severin ihn auch dafür hielt. Sie hatte sich nie um die vielfältigen Aufgaben des Verwalters auf Oxborough gekümmert. Sie wusste nur, dass Torric seine Arbeit gut machte und die Leute meist gut behandelte. Vielleicht könnte er öfter lächeln, aber das spielte keine große Rolle. Möglicherweise war es an der Zeit, dass sie den Angelegenheiten auf Oxborough etwas mehr Augenmerk schenkte.
An einem heißen, staubigen Nachmittag In der zweiten Woche nach Severins Abreise meldete Alart, der
Wächter, mit lautem Rufen, dass sich eine Gruppe von Reitern näherte. Da Oxborough auf einer Anhöhe lag, reichte sein wachsamer Blick weit ins Land hinein. Die Männer waren noch einige Meilen entfernt.
Hastings erkannte die Standarte des Königs, aber es konnte wohl kaum der König selbst sein, der da seinen Besuch ankündigte. Dennoch zog sich Hastings rasch ein frisches Kleid an, kämmte sich das Haar, flocht es zu einem Zopf und steckte ihn ordentlich auf dem Kopf fest. Sie nahm Eloise bei der Hand und lief hinaus, um die Gäste zu erwarten.
Wer da ankam war der Kanzler von England, Robert Burnell, des Königs Sekretär und engster Vertrauter. Er sah aus, als hätte man ihn durch eine Mühle gedreht. Offensichtlich war er kein guter Reiter. Sein Gesicht verriet Abgespanntheit und Erschöpfung, obwohl es von London nur ein Dreitagesritt war. Neben dem Kanzler, auf einem Damenpferd mit weißen Fesseln, ritt eine der
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