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Schloß der verlorenen Seelen

Schloß der verlorenen Seelen

Titel: Schloß der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Alexander
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breitete sie über den Stein.
    “Danke.” Die Lehrerin nahm Platz. Sie freute sich, daß er nicht zögerte, sich neben sie zu setzen. “Woher kommen Sie, Mister Powell?” erkundigte sie sich. “Sie stammen sicher nicht aus dieser Gegend, sie sprechen einen anderen Akzent.”
    “Nicht aus dieser Gegend?” Sekundenlang wirkte Jason Powell belustigt.
    “Habe ich etwas Falsches gesagt?” fragte Camilla irritiert.
    “Nein, entschuldigen Sie”, meinte er. “Ich war nur der Meinung, ich hätte inzwischen den Slang der Menschen dieses Distrikts angenommen.” Wieder schaute er auf das Meer hinaus. “Ich bin in Cornwall geboren und auf einem kornischen Gut aufgewachsen”, fuhr der Stallmeister fort und wandte sein Gesicht der jungen Frau zu. “Schon als kleiner Junge liebte ich Pferde. Manchmal schlich ich mich nachts aus dem Haus, um bei ihnen im Stall zu schlafen.” Jason sprach von seiner Kindheit und den Streichen, die er seinen Eltern oft gespielt hatte. Er besaß eine warme, weiche Stimme, die wie dazu geschaffen schien, Geschichten zu erzählen.
    Camilla wurde sich bewußt, wie sehr sie seine Gesellschaft genoß. Sie überlegte, ob sie etwa dabei war, sich in ihn zu verlieben. Jason Powell war so ganz anders als Roger Gordon. Jede seiner Gesten, jedes seiner Worte berührten ihr Herz. Ohne ihn wäre es ihr sicher nicht so leicht geworden, sich auf Danemore Castle heimisch zu fühlen. Von Tag zu Tag freute sie sich darauf, mit ihm auszureiten.
    “Aber nun wird es Zeit, daß Sie von sich erzählen”, meinte er nach einer Weile. “Ich rede und rede. Sie kommen überhaupt nicht zu Wort.” Er blickte ihr in die Augen.
    Die junge Frau schrak zusammen. Es kam ihr vor, als würde er schon alles über sie wissen. Sekundenlang wirkten Jasons Augen alt, älter als sie es jemals bei einem Menschen gesehen hatte. Sie spürte einen Anflug von Furcht und konnte es nicht verstehen. Jason Powell gehörte zu den sympathischsten Menschen, die sie kannte, und gerade hatte sie sich doch noch gefragt, ob sie ihn womöglich liebte.
    “Was haben Sie?” fragte er und legte eine Hand auf ihren Arm. “Sie sind so still, so in sich gekehrt.”
    Camilla mußte plötzlich über sich selbst lachen. Bewußt schaute sie ihm ins Gesicht. Ihr Begleiter besaß ganz normale grüne Augen. Wie war sie nur auf den Gedanken gekommen, sie hätten mehr gesehen als es in fünfunddreißig Jahren möglich war?
    “Es ist nichts”, erwiderte sie. “Es wird nur langsam Zeit aufzubrechen. Ich möchte nicht zu spät zum Lunch kommen.”
    “Dann sollten wir jetzt wirklich zurückreiten.” Jason stand auf und reichte ihr die Hand. Dann griff er nach seiner Joppe und zog sie sich wieder an.
    Schweigend ritten sie zurück. Als sie Danemore Castle erreichten, sahen sie, daß die Kinder auf dem Rasen unter Anleitung ihres Lehrers Kricket spielten. Mister Gordon zeigte Laura gerade, wie sie den Schläger halten mußte. Er wirkte wie ein Vater. Laura blickte lächelnd zu ihm auf.
    “Mögen Sie Mister Gordon?” erkundigte sich Jason Powell.
    Die junge Frau schrak zusammen. “Ich habe mir darüber noch keine Gedanken gemacht”, behauptete sie.
    “Wirklich nicht?” fragte er und galoppierte in Richtung Stallungen davon.
    10. Kapitel
    Eine Woche später erwachte Camilla von einem unbestimmten Geräusch. Mit hinter dem Kopf verschränkten Händen starrte sie in die Dunkelheit und überlegte, was sie geweckt haben könnte. Plötzlich glaubte sie, leise Schritte zu hören. Mit einem Satz war sie aus dem Bett und huschte zum Salon. Im Mondlicht sah sie ihre Schwester auf die Gangtür zugehen. Laura war barfuß, sie trug nur ihr Nachthemd. Aber sie hatte ihren Teddy dabei.
    Camilla wollte zuerst ihre Schwester ansprechen; gerade noch im letzten Moment preßte sie die Lippen zusammen. Sie mußte wissen, was Laura vorhatte, also beschloß sie, ihr zu folgen.
    Das kleine Mädchen öffnete die Tür und trat in den Gang hinaus. Camilla schlich ihr leise nach. Auch sie war barfuß. Sie hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, sich ihre Hausschuhe anzuziehen.
    Die junge Frau versuchte, jedes Geräusch zu vermeiden, doch sie war sich nicht sicher, ob ihre Schwester sie überhaupt hören würde. Laura neigte nicht zum Schlafwandeln, das wußte sie, und dennoch kam es ihr vor, als würde sich das kleine Mädchen wie in Trance bewegen. Es blickte sich nicht ein einziges Mal ängstlich um. Stur folgte es einem Weg, den es nur selbst zu kennen schien.
    Laura erreichte

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