Schloß der verlorenen Seelen
wieder, bis ihr Vater schließlich ein Machtwort sprach.
“Jetzt reicht es”, sagte er und wandte sich wieder der Lehrerin zu. “Ja, das ist das Bild, das damals hinuntergefallen ist.” Kopfschüttelnd betrachtete er es. Dann sah er Laura an. “Woher wußtest du von der verborgenen Tür?”
“Cathy hat mir davon erzählt”, erwiderte die Kleine und drückte die Puppe an sich. “Und ich weiß auch, daß Cathy in diesem Bild eingesperrt gewesen ist.”
Die Zwillinge lachten laut auf. “Das ist doch nur eine Geschichte”, meinte Edmund. “Du mußt nicht alles glauben, was man dir erzählt.”
Laura warf den beiden einen fast verächtlichen Blick zu. “Es ist mehr als eine Geschichte”, erwiderte sie. “Viel mehr.”
“Ich würde mir die Bodenkammer gerne ansehen”, sagte der Earl of Danemore und ging ins Boudoir seiner Frau, um sie zu bitten, sie zu begleiten.
“Ich würde vorschlagen, daß wir das Bild und die Puppe auf dem Boden lassen”, meinte Lady Mabel. Sie hängte das Bild wieder an den Haken, von dem Camilla es abgenommen hatte. “Gib mir bitte die Puppe”, wandte sie sich an Laura.
“Nein.” Laura verschränkte ihre Arme um die Puppe. “Nein, ich gebe Dorothy nicht her. Cathy hat sie mir geschenkt.”
“Laura, bitte, sei vernünftig. Du bist nicht Cathy. Es ist nicht deine Puppe.”
“Jetzt schon”, erklärte die Kleine und rannte einfach davon.
Die junge Frau wollte ihr folgen, doch der Earl hielt sie zurück. “Lassen wir Laura die Puppe”, schlug er vor. “Irgendwann wird sie ihrer schon überdrüssig werden.”
“James, seit wann glaubst du an Wunder?” fragte seine Frau. “Laura wird Cathys Puppe nie wieder hergeben.”
Davon war auch Camilla überzeugt, aber sie wollte nicht, daß Laura diese Puppe besaß. Deshalb stand sie kurz nach Mitternacht auf und ging in das Zimmer ihrer kleinen Schwester hinüber. Im Mondlicht sah sie, wie Laura selbst im Schlaf die Puppe an sich gedrückt hielt.
Dorothy machte der jungen Frau Angst. Obwohl sie ihrer Schwester nicht gerne etwas wegnahm, zog sie vorsichtig die Puppe aus Lauras Arm und trug sie in ihr eigenes Zimmer hinüber. Dort schloß sie die Puppe in der untersten Schublade ihrer Wäschekommode ein.
Tief in Gedanken legte sich Camilla wieder zu Bett. Sie war so müde, sie sehnte sich nach Schlaf, aber in dieser Nacht wollte er nicht kommen. Sie glaubte, ein dumpfes, polterndes Geräusch zu hören. Es schien aus der Richtung der Wäschekommode zu kommen und hörte sich an, als würde die Puppe versuchen, die Schublade zu öffnen.
Die junge Frau zog sich die Decke über den Kopf, aber noch immer hörte sie dieses Poltern. Ihr Gefühl sagte ihr, daß es doch besser sein würde, Danemore Castle zu verlassen. Aber Laura war so glücklich hier. Sie konnte ihre Schwester jetzt nicht nach London zurückbringen oder mit ihr nach Cornwall fahren. Laura hatte erst vor kurzem ihre Eltern verloren. Cathy, ob nun eingebildet oder nicht, schien ihr einen gewissen Halt zu geben.
Erst gegen Morgen schlief Camilla ein, aber es war kein erquickender Schlaf. Sie träumte von riesigen Feuersbrünsten, einstürzenden Häusern und einem kleinen Mädchen, das verzweifelt versuchte, den Rahmen eines Bildes zu durchbrechen.
13. Kapitel
“Camilla! Camilla, wach auf.”
“Ja, was ist denn?” Die junge Frau wollte nicht aufwachen. Sie war noch viel zu müde. wollte nicht aufwachen.
“Camilla!”
Camilla schlug die Augen auf. Sie brauchte ein paar Sekunden, um richtig wach zu werden. “Laura? - Laura, was hast du denn?”
“Wo ist Dorothy?” fragte Laura in einem Ton, den Camilla von ihr bisher nicht gewöhnt war. In den Augen des Kindes brannte ein nahezu fanatisches Feuer. “Du hast sie fortgenommen, nicht wahr?”
“Ja, ich habe sie in der Nacht weggenommen”, erwiderte ihre Schwester aufrichtig. “Die Puppe ist nicht gut für dich, Lovely.”
“Cathy hat sie mir geschenkt!” schrie Laura und stampfte mit dem Fuß auf. “Ich will meine Puppe. Camilla, ich will meine Puppe.”
Die junge Frau richtete sich auf. Sie umfaßte die Schultern des kleinen Mädchens und schüttelte es sanft. “Was ist denn das für ein Benehmen?” fragte sie.
Laura machte ein betretenes Gesicht. Sie wand sich aus Camillas Händen und setzte sich aufs Bett. “Ich habe solche Kopfschmerzen”, klagte sie.
Camilla legte eine Hand auf die Stirn ihrer Schwester. Fieber schien Laura nicht zu haben. “Seit wann hast du Kopfschmerzen?” fragte
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