Schloß der verlorenen Seelen
Wagen.
Die Lehrerin kehrte zu ihrer Schwester zurück und setzte sich zu ihr aufs Bett. Laura griff nach ihrer Hand, klammerte sich regelrecht an ihr fest.
“Er nimmt meine Seele”, flüsterte sie fast tonlos. “Er wird sie in ein Bild sperren, wie er es mit Cathy getan hat. Dann wird er mein Blut trinken, um weitere hundert Jahre leben zu können.”
“Wer?” fragte Camilla, wenngleich sie nach wie vor überzeugt war, daß Laura nur fantasierte.
Laura sah sie an. “Der Mann, der sich jetzt Jason Powell nennt”, flüsterte sie. “Er…” Erschöpft schloß sie die Augen und schlief ein.
Lady Mabel kehrte zurück. Camilla ging ihr entgegen und erzählte ihr, was Laura gesagt hatte.
Ihre Gastgeberin schüttelte den Kopf. “Was muß in diesem kleinen Köpfchen für ein Chaos herrschen”, meinte sie betroffen. “Sieht aus, als hätten wir ihre Fantastereien zu leicht genommen. Sobald es ihr wieder besser geht, sollten wir mit ihr einen guten Psychotherapeuten aufsuchen.”
“Nicht alles, was Laura sagt, sind Fantastereien”, wandte Camilla ein. “Ich glaube inzwischen auch daran, daß sie Cathy sieht und mit ihr spricht.”
Ihre Gastgeberin nickte. “Mag sein, daß Cathys Seele wirklich noch durch dieses Haus geistert, aber alles andere…” Sie schüttelte den Kopf. “Kannst du dir vorstellen, daß unser Powell die Seelen kleiner Mädchen in Bilder bannt? Er malt nicht einmal.”
“Nein, das glaube ich auch nicht”, gab Camilla zu. Zärtlich strich sie über die Stirn ihrer schlafenden Schwester. “Wenn ich nur wüßte, wie man ihr helfen kann. Ich habe solche Angst, daß Laura den Verstand verliert.”
“Wir werden alles tun, um es zu verhindern”, versprach Lady Mabel und schloß sie in die Arme.
18. Kapitel
An diesem Abend gab es ein ausgesprochen stilles Dinner. Mit den Gedanken waren alle bei Laura. Obwohl Dr. Forster überzeugt war, sich das kleine Mädchen nur etwas überanstrengt hatte, machten sie sich Sorgen. Laura hatte sich während der vergangenen Wochen zwar oft etwas seltsam benommen; trotzdem war es ihr gelungen, das Herz ihrer Verwandten zu erobern.
“Wird Laura bald wieder gesund sein?” erkundigte sich Edmund.
“Das wollen wir doch hoffen”, erwiderte sein Vater.
Donald wandte sich an Camilla. “Dürfen wir morgen mit zu Doktor Forster fahren?”
“Das ist keine gute Idee, Donald. Ihr würdet nur stören”, wandte der Earl auf Danemore ein, bevor Camilla antworten konnte.
“Bestimmt glaubst du, wir wollen den Unterricht schwänzen”, sagte Edmund zu seinem Vater, “aber das stimmt nicht. Wir wollen Laura etwas aufheitern.”
“Das ist wirklich lieb von euch”, meinte Camilla. “Aber euer Vater hat recht. Doktor Forster würde bestimmt nicht begeistert sein, wenn ihr auch noch mitkommt.” Sie lächelte den Jungen zu. “Aber falls es Laura morgen etwas besser geht, könnt ihr sie ja am Nachmittag besuchen.”
Die junge Frau wäre am liebsten bei ihrer Schwester geblieben, doch Lady Mabel hatte sie gebeten, zusammen mit ihnen das Dinner einzunehmen. Susan Eden saß unterdessen an Lauras Bett. Camilla wußte zwar, daß sie sich auf die Hausdame verlassen konnte, dennoch aß sie ohne Appetit und hoffte, daß sie bald nach oben gehen konnte.
Der Hausherr hob die Tafel auf. Die Jungen wünschten ihnen eine gute Nacht und ließen sie alleine.
Lady Mabel blickte zum Fenster. “Heute abend ist es ausgesprochen kühl”, stellte sie fest. “Ich habe Willis gebeten, dafür zu sorgen, daß der Kamin im Salon angeheizt wird.” Sie berührte die Schulter ihres Mannes. “Es gibt doch nichts Anheimelnderes, als vor dem brennenden Kamin zu sitzen und Kaffee zu trinken.”
“Mabel, bitte, sei mir nicht böse, aber ich würde lieber wieder nach Laura sehen”, sagte Camilla. Sie wußte, daß sie ein gemütliches Zusammensein am Kamin jetzt unmöglich durchstehen konnte.
“Natürlich, das kann ich verstehen. Man wird dir den Kaffee oben servieren.” Lady Mabel zog Camilla an sich. “Mach dir nicht solche Sorgen. Es wird alles wieder in Ordnung kommen.”
“Danke, ich werde daran denken”, sagte Camilla.
“Bitte, entschuldigen Sie auch mich”, bat Roger Gordon. “Ich möchte noch etwas in der Bibliothek lesen.”
“Sieht danach aus, als würden wir unseren Kaffee heute abend alleine trinken, Mabel”, meinte der Earl of Danemore. Er wünschte Camilla und dem Hauslehrer eine gute Nacht, nahm den Arm seiner Frau und trat mit ihr durch die
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