Schloss meiner Sehnsucht
schnell versöhnt. Und obwohl ihr Tränen in der Kehle brannten, obwohl sie voller Mitleid war, küsste sie ihn und gab sich heiter und unbeschwert. Dabei war ihr deutlich bewusst, wie sehr Volker litt. Nicht nur unter den körperlichen Beschwerden. Vor allem auch darunter, dass ihn von den Freunden, die stets mit ihm gefeiert hatten, niemand besuchte. Fadenscheinig waren die Ausreden, die erfunden wurden. Und jede für sich war ein Nadelstich, der dem Kranken bewusst machte, dass er ausgegrenzt wurde.
„Was hast du denn heute erlebt – außer dem Drama um Tim“, meinte er und bemühte sich um einen neutralen Tonfall.
„Nicht viel. Wie gesagt, ich hab noch einen Teil der Vorlesung mitgekriegt, hab in der Unibibliothek was nachgelesen – und jetzt bin ich hier.“
„Danke.“
„Hör auf, dich zu bedanken! Ich komme gern!“
Aus Mitleid, ich weiß. Er dachte es voller Bitterkeit, sprach den Gedanken aber nicht aus. Sicher wäre Melanie dann wieder sauer geworden. Und er wollte sie auf keinen Fall verärgern. Er brauchte sie so sehr. Ihr Nähe, ihre Zuneigung. Ihren Optimismus und die kleinen Zärtlichkeiten, die sie hier in der Klinik tauschten.
Kurz ging ihm durch den Kopf, was er noch vor wenigen Wochen mit einer so süßen Maus gemacht hätte. Meine Güte, wie unbeschwert war er gewesen! Hatte genommen, was ihm geboten wurde. Ohne irgendwas zu hinterfragen, ohne sich Gedanken zu machen – und erst recht, ohne irgendwelche Skrupel zu haben.
Leichtfertige Flirts, wilde Partys, Designerklamotten und Reisen in die entlegendsten Ecken der Welt – alles war selbstverständlich gewesen. So wie der immer funktionierende Körper.
Und jetzt... jetzt war er schon froh, dass Melanie kam und seine Hand hielt.
„Ich bin müde“, sagte er leise. „Am besten gehst du wieder.“
Wenn sie verletzt und irritiert war, so ließ sie es sich nicht anmerken. Ruhig stand sie auf. „Dann bis bald. Ich denk an dich.“ Ein leichter Kuss, den er nicht erwiderte, dann ging sie leise hinaus. An der Tür sah sie sich noch einmal um – nein, Volker schaute ihr nicht nach. Er hatte den Kopf abgewandt.
Wie leid er ihr tat! Wie sehr sie mit ihm fühlte! Sie verstand sehr gut, dass er sich keine Schwäche gestatten wollte. Sie verstand auch seine Verletztheit. Der Fall, den er erlebte, war besonders tief. Vor kurzem noch der Sonnyboy der Clique, Mitglied des Jetset, reich, beliebt, bewundert. Und jetzt – krank, elend. Von vielen vergessen.
Mit gesenktem Kopf verließ Melanie das Krankenhaus.
+ + +
In der Nacht hatte es gestürmt. Das Meer, heute wieder wie ein silberner Spiegel wirkend, hatte Schaumkronen getragen und für Stunden seine ganze Gewalt entfaltet. Einige Fischerboote im Hafen von Ischia waren beschädigt, ein paar der Luxusyachten wurden schon abgeholt, damit sie in der nahegelegenen Werft repariert werden konnten.
Die Fischer halfen sich gegenseitig, soweit es möglich war, die Boote wieder instand zu setzen. Einige der älteren saßen auf der Kaimauer und flickten Netze.
Die Touristen, die vor Stunden noch staunend und auch leicht schockiert dem Naturschauspiel beigewohnt hatten, gingen schon wieder unbekümmert ihren Urlaubsbeschäftigungen nach: Kuranwendungen in den verschiedenen Thermalbädern, Strandbesuche, Besichtigungstouren oder einfach ein entspannendes Flanieren die Uferpromenade entlang.
Auch Oliver von Sternburg saß in einem Straßencafé und sah dem Treiben im Hafen zu. Vera musste noch arbeiten, doch heute hatte er einfach keine Lust, zum Set zu gehen. Irgendetwas beunruhigte ihn. Etwas, das er nicht genau definieren konnte, das aber mit Sicherheit da war. Auf seine innere Stimme hatte er sich noch immer verlassen können. Und die Stimme riet zu größter Vorsicht!
Die junge Italienerin, die ihm den zweiten Cappuccino servierte, schenkte ihm ein intensives Lächeln. Der gut aussehende Mann gefiel ihr. Der helle Sommeranzug verriet Stil und einen exzellenten Schneider, die Schuhe waren handgemacht, das sah sie auf einen Blick. Dazu kam ein gebräuntes Gesicht mit grauen Augen und etwas zu buschigen Brauen. Die Haare waren leicht gewellt und ein wenig zu lang – gerade so, wie Antonella es liebte.
Schon stellte sie sich vor, wie es wäre, mit diesem Fremden eine Nacht zu verbringen, während einer leidenschaftlichen Umarmung die Finger in diesen Haaren zu vergraben...
„Per favore, il conto!“ Der Fremde hob leicht die Hand. Ein kleiner, flüchtiger Traum zerstob. Antonella kassierte,
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