Schloss meiner Sehnsucht
schenkte Oliver ein Lächeln – und wandte sich einer Gruppe älterer Damen zu, die ganz offensichtlich aus England kamen und Tee bestellten.
Oliver sah sich um. Da, hinter dem kleinen gelben Fiat, da war er wieder – diesen Mann hatte er vorgestern und gestern auch schon gesehen! An und für sich nichts Ungewöhnliches, schließlich konnte dieser an sich unscheinbare Mann auch ein Tourist sein.
Flüchtig schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass es eventuell ein Mafia-Mitglied sein könnte, schließlich lag Ischia in der Bucht von Neapel, der Hochburg der Camorra – oder eben Mafia. Nein, fiel ihm da ein, irgendwo hatte er mal gelesen, dass diese Leute ihre Luxusvillen auf Capri hatten.
Aber was hieß das schon? Ob Capri, Ischia oder Neapel... irgendwie war die „Familie“ überall präsent. Siedend heiß fiel ihm in diesem Zusammenhang wieder das Päckchen Kokain ein, das er in der Sattelkammer des Gutes versteckt hatte. Natürlich war der Stoff bezahlt, aber es war immer brisant, viel davon zu besitzen.
Der Typ, der ihn so in Unruhe versetzte, telefonierte gerade mit seinem Handy. Wenn er doch nur irgendeinen Satzfetzen hätte verstehen können! Er versuchte, dem Fremden näher zu kommen, doch fatalerweise kam ein Lastwagen aus einer Einfahrt und nahm ihm die Sicht. In der nächsten Minute war der Fremde spurlos verschwunden.
Oliver war dennoch nicht beruhigt. Er machte ein paar Einkäufe, unter anderem eine Seidenstola für Vera und eine ausgefallene Korallenkette, dann fuhr er mit dem Taxi zurück zu der kleinen Villa über Sant’ Angelo.
Den Nachmittag über hielt er sich auf der Terrasse auf, wartete auf Vera, die viel zu spät kam.
„Wir mussten noch eine Einstellung wiederholen. Franco, der Trottel, hatte die falschen Klamotten mit. Außerdem war heute eine andere Stylistin da – so eine Niete. Ich hab mich schließlich selbst geschminkt. Die wollte mir doch wirklich lila Lidschatten auftragen. Mir! Absolut unmöglich.“ Vera redete ununterbrochen, während sie ein Glas Champagner herunterstürzte und dazu eine halbe Avocado mit Krabbenfleisch aß. „Himmel, hatte ich Hunger!“ Sie umarmte Oliver flüchtig. „Bin gleich wieder da!“
Er hörte, dass sie im Bad verschwand. Manchmal glaubte er, dass sie alles, was sie aß, wieder erbrach. Aber dann sagte er sich, dass Vera viel zu vernünftig war, um so etwas zu tun. Klar, sie musste auf ihre Figur achten. Und je älter sie wurde, umso schwieriger wurde das. Nicht umsonst kokste sie – wie viele der Kolleginnen.
„Na, was ist, wie hast du den Abend verplant?“ Sie umarmte ihn von hinten und Oliver spürte, dass sie nackt war.
Grinsend drehte er sich um. „Mach du einen Vorschlag.“
Vera schmiegte sich an ihn. „Die anderen wollen in den ‚Club Ecstasy’ in Ischia. Es soll eine angesagte Bar sein.“ Sie grinste. „Schickimicki-Treff, sozusagen. Na, was man hier eben als Schickimicki bezeichnet.“
„Und, willst du hingehen?“
Vera zuckte mit den Schultern. „Was meinst du?“
„Von mir aus. Langsam fällt einem hier die Decke auf den Kopf. Da ist jede Abwechslung recht.“
Sie lachte. „Bin ich dir nicht Abwechslung genug?“
„Wenn du es so siehst...“
Es wurde nichts mit dem Discobesuch. Sie verbrachten die Hälfte des Abends im Bett, aßen ein wenig, tranken auf der Terrasse zwei Flaschen Rotwein – und schliefen gegen drei Uhr ein. Oliver war erschöpft, denn Vera hatte ihn wirklich gefordert. Dieses Luder... sie war unersättlich. Aber voller Fantasie und absolut nicht prüde. Und darin waren sie sich einig: Guter Sex war auf jeden Fall mehr wert als die tollste Disco.
Am nächsten Morgen, die Sonne stand schon ziemlich hoch am Himmel, schlenderte Oliver in den Ort, um frische Croissants und Obst zu kaufen. Den Mann, der ihn beobachtete und ihm wieder auf Schritt und Tritt folgte, bemerkte er zunächst nicht. Erst als er in einem Delikatessenladen Parmaschinken, eingelegte Trüffel und zwei Flaschen Champagner kaufte, sah er in der Fensterscheibe das schon bekannte Gesicht.
Flucht – war sein erster Gedanke. Mit zitternden Fingern bezahlte er, dann hetzte er förmlich zurück zum Bungalow. Vera schlief noch. Ihr makelloser Körper zeichnete sich unter dem dünnen Seidenlaken ab.
Ohne sie zu wecken, packte Oliver seine Sachen. Dann fiel ihm ein, dass er nicht einmal wusste, wann die nächste Fähre zum Festland ging – und auch die Flugpläne kannte er nicht. Nur eins wusste er: Irgendwer war ihm auf den
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