Schloss meiner Sehnsucht
Erbschaft ihres zweiten Mannes neigte sich bedrohlich dem Ende zu. Zeit, etwas zu verändern! Und Alexander Reissner, ein Geschäftspartner ihres Mannes, lebte die meiste Zeit auf Capri. Also war sie auch dorthin gereist. Und ihm „ganz zufällig“ über den Weg gelaufen. Leider war er in Begleitung einer höchst attraktiven Italienerin gewesen. So vertraut, wie die beiden miteinander taten, hatte es wohl wenig Sinn, sich als gute alte Bekannte in Erinnerung zu bringen.
Also hatte Karina ihren Aufenthalt abgekürzt und war schon nach fünf Tagen wieder in Richtung München geflogen. Schicksal nannte man das wohl, denn sonst wäre sie wohl Graf Oliver nicht begegnet...
Die Villa in Bogenhausen war nicht allzu groß, aber sehr elegant eingerichtet. Alte, kostbare Möbel, geschickt kombiniert mit einigen modernen Stücken, zeugten vom guten Geschmack der Bewohnerin. Und die Bilder an den Wänden konnte sich ebenfalls sehen lassen. Wenn er sich nicht ganz täuschte, hing dort sogar ein echter Liebermann. Oliver war mit sich zufrieden. Da hatte er doch mal wieder den richtigen Riecher gehabt!
„Noch einen Drink?“, fragte Karina, nachdem er ihr mit Hilfe des Chauffeurs die Koffer ins Haus gebracht hatte. „Oder sind Sie in Eile?“
„Absolut nicht. Kann ich meinen Koffer hier abstellen? Was halten Sie von einem gemütlichen Abendessen? Mein Kühlschrank ist mit Sicherheit leer.“
„Haben Sie denn niemanden, der für Sie sorgt?“
„Hier in München nicht.“ Er lächelte und zwinkerte leicht dabei. „Man braucht ja so seine Freiräume. Und deshalb kommt nur zweimal in der Woche eine Zugehfrau in mein Appartement. Auf dem Schloss ist das natürlich anders, das haben wir eine Menge Angestellte.“
„Sie bewohnen ein Schloss?“ Karina konnte sich nun nicht mehr zurückhalten.
„Na ja, eigentlich ist es mehr ein Gutshaus. Aber die Leute nennen es seit Generationen Schloss Sternburg. Es liegt auf dem Land – genauer gesagt am Chiemsee. Recht idyllisch. Aber auch fernab von dem, was ich unter interessantem Leben verstehe.“ Na, den Köder schluckte sie hoffentlich!
Und wirklich, Karina lächelte verständnisinnig. „Natürlich. So ein Wochenende auf dem Land, eventuell bei einer Segelpartie, das ist schon reizvoll. Aber ich brauche auch gewisse kulturelle Abwechslungen. Mögen Sie die Oper?“
„Sehr“, beeilte er sich zu versichern.
„Mein verstorbener Mann war mit Karajan befreundet. Wir haben eine große Plattensammlung mit Aufnahmen des Meisters.“
Oliver gab sich beeindruckt. „Wenn Sie Zeit und Lust haben, würde ich Sie gern einmal in eine besonders interessante Aufführung einladen. Mögen Sie Wagner?“
„Nicht so sehr. Lieber Mozart. Vor allem die Hochzeit des Figaro. Oder Don Giovanni.”
Oliver lachte. „Die mag ich auch am liebsten.“
„Weil Sie dem Giovanni ähnlich sind, nicht wahr?“ Karina lachte. „Wissen Sie was, ich hole uns noch etwas Champagner. Auf so viel Seelenverwandtschaft sollten wir anstoßen.“
Keine Frage – der Abend war noch lange nicht zu Ende. Beide hatten recht viel Spaß an diesem Spiel. Doch während Karina Ambross sich eine interessante Bekanntschaft erhoffte, überlegte Oliver, ob sein spontaner Gedanke, für eine Weile bei der schönen Frau unterzuschlüpfen, nicht doch zu gefährlich war. Sie hatte ein ziemlich einnehmendes Wesen, die attraktive Witwe. Andererseits würde ihn so rasch niemand hier suchen.
Sie gingen nicht mehr aus, sondern ließen sich von einem Partyservice ein paar Delikatessen ins Haus liefern. Sie aßen, tranken, tanzten im Wohnzimmer zu Sinatra-Songs – und dann kam genau das, was beide geplant hatten.
+ + +
Melanies Augen brannten, als sie die Kahlenbach – Klinik verließ. Der Nachtdienst war anstrengend gewesen, nicht eine Stunde Ruhe hatte sie gehabt. Ein alter Patient, vor vier Tagen operiert, hatte eine Lungenembolie erlitten und war trotz Not-OP gestorben. Naturgemäß sorgte das für Aufregung und Unruhe. Nachtschwester Inge hatte alle Hände voll zu tun gehabt, und so war es Melanies Aufgabe gewesen, die Angehörigen zu verständigen und als Erste mit ihnen zu reden.
Die angehende Ärztin war sich darüber im klaren, dass der Tod zum Leben dazu gehörte. Und doch war ihr jetzt wieder einmal bewusst geworden, wie rasch ein Menschenleben zu Ende gehen konnte.
Am frühen Morgen, die Dämmerung zog gerade herauf, war dann auch noch ein junger Motorradfahrer eingeliefert worden, der ganz in der Nähe der
Weitere Kostenlose Bücher