Schloss meiner Sehnsucht
warf sie hinüber zu der Tür, hinter der Volker lag...
„Tun Sie’s nicht“, sagte Schwester Inge. „Er sollte erst mal ein paar Stunden allein sein.“
Was blieb ihr anderes übrig, als zu gehen? Mit gesenktem Kopf verließ sie die Klinik, und die Sonne, die gerade strahlend aufging und einen schönen Tag verhieß, hatte jeden Glanz verloren.
Zuhause in ihrer kleinen Wohnung machte sie sich nicht die Mühe, noch etwas zu essen. Rasch streifte sie die Kleider ab und fiel wie ein Stein ins Bett. Ihr letzter Gedanke galt Volker, dann war sie auch schon weg.
Sie schlief tief und fest, nur ein Traumbild blieb ihr in der Erinnerung haften: Volker und sie saßen in einem Segelboot auf dem Chiemsee. Am Ufer lag Schloss Sternburg, auf den Koppeln, die bis zum Ufer reichten, grasten Pferde und ein paar Schafe.
Heiße Sehnsucht durchströmte sie. Sehnsucht nach diesem wunderschönen Zuhause, aber auch nach Volker, der ihr zwar in dem Boot gegenüber saß, aber immer wieder von ihr abrückte, sobald sie ihm auch nur wenige Zentimeter näher kam.
Melanie erwachte und wischte sich verstört die Tränen aus den Augen. Was sollte das? Seit wann ließ sie sich von Träumen beeinflussen? Noch etwas schlaftrunken stand sie auf und ging in die Küche, um sich einen heißen Kakao zu machen. Kakao... das war schon in der Kinderzeit ein Allheilmittel gewesen.
Heute half es nicht.
Immer wieder gingen ihre Gedanken zu Volker. Während des Seminars an der Uni war sie unaufmerksam, sie konnte sich einfach nicht konzentrieren.
Früher als geplant verließ sie den Hörsaal, schlenderte scheinbar ziellos durch die Straßen – um dann doch wieder vor der Klinik zu stehen.
„Hier bist du!“ Tims Stimme ließ sie zusammenzucken. „Ich hab schon versucht, dich anzurufen.“
„Sorry, ich hab mein Handy vergessen. Ist was mit Volker?“
Tim zuckte mit den Schultern. „Er will mich nicht sehen. Sogar seine Eltern sollten nicht kommen, aber Gräfin Nora hat sich natürlich nicht abweisen lassen. Sie war aber nur ein paar Minuten bei ihm.“ Er biss sich auf die Lippen. „Volker ist mental ganz mies drauf. Ich weiß einfach nicht, was man tun kann, um ihm zu helfen.“
„Mich hat er auch nicht sehen wollen heute Morgen. Ob ich jetzt noch mal zu ihm gehen soll?“
„Lieber nicht. Der Professor ist gerade da, spricht mit Volkers Eltern. Deshalb bin ich auch gegangen. Es hat heute keine Zweck.“ Der sonst immer so optimistisch wirkende Tim sah ungewöhnlich ernst aus. „Kommst du mit auf einen Cappuccino?“
Ein kurzes Zögern, dann nickte Melanie. „Wenn du meinst, dass ich es gar nicht erst versuchen soll in der Klinik... Dann können wir auch was trinken gehen. Ich brauch einen doppelten Espresso, muss gleich wieder zum Nachtdienst.“
Tim sah sie bewundernd an. „Wie du das schaffst – alle Achtung.“
„Ach was, gar nicht so schlimm. Drei harte Tage und Nächte, dann kann ich ja wieder ausspannen.“
Gerade hatten sie in einem der Straßencafés Platz genommen, als Melanie den Mann bemerkte, der soeben mit einer eleganten Frau aus einer Nobelboutique kam. Die beiden wirkten sehr vertraut.
„Das ist doch Oliver von Sternburg!“ Auch Tim hatte das Paar bemerkt. „Vorgestern hat mir Volker noch erzählt, sein Onkel sei auf Reisen. Niemand weiß angeblich, wo er sich aufhält. Dabei gibt es irgendwelche geschäftlichen Schwierigkeiten, bei deren Lösung er wohl helfen könnte.“
„Ich hab ihn zwar erst einmal gesehen, aber er ist es.“ Melanie sah dem Paar nach, das zu einem Jaguar-Cabriolet ging. Die Frau holte die Schlüssel aus ihrer Tasche, warf sie Oliver zu, der den Wagen öffnete und seiner Begleiterin dann galant auf den Beifahrersitz half. Die Einkaufstüten warf er lässig auf die Rückbank.
Oliver tat zwar bewusst so, als sei er ganz auf Karina konzentriert, aber er hatte Melanie und Tim bemerkt. Mist, dachte er, das hätte nicht passieren müssen! Jetzt erfuhr Volker sicher, dass er wieder in München war!
Während er Karina heimfuhr und wieder einmal das erlebte, was Karina „einen gemütlichen Abend“ nannte, sann er darüber nach, was er tun sollte. Nach Sternburg fahren und so tun, als sei er gerade erst angekommen?
„Du bist sehr unaufmerksam, mein Schatz!“ Karina zog einen Schmollmund – was bei ihr leider höchst albern wirkte. Überhaupt... schon nach knapp vierzehn Tagen war er das Zusammensein mit ihr leid. Sie hatte ganz offensichtlich sehr viel Nachholbedarf, was Sex betraf.
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