Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
sich zu Hause melden
und möglichst unauffällig nach Fikret fragen. Wo er steckt oder stecken könnte.
Verstehen Sie, es muss schnell gehen, aber sie darf sich nichts anmerken lassen.«
»Meinen Sie wirklich, dass es Fikret war? Herr Koller, das glaube ich
einfach nicht!«
»Ich fürchte, es ist so. Wenn sie etwas erfährt, soll sie sich sofort
bei mir melden. Meine Nummer haben Sie ja.«
Damit legte ich auf. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sich
die Jungs nach vollbrachter Tat getrennt hatten und nun brav zu Hause saßen? Nach
dem Motto: Coole Aktion, Leute, aber Mama wartet mit dem Sonntagskaffee auf mich?
Verschwindend gering. Eher hockten sie in einem Versteck, berauscht und verstört
gleichzeitig, das Adrenalin dröhnte ihnen im Schädel, und sie wussten nicht, wie
es weitergehen sollte.
Vielleicht konnte Steve Bungert mir helfen, der Lehrer mit dem Hang
zum Sozialarbeiter. Er hatte zwar behauptet, Fikret nur flüchtig zu kennen. Aber
war nicht Tarek, einer der Älteren, einmal sein Schüler gewesen? Und ein Klassenkamerad
von Brutsch? Ein wenig Hoffnung bestand also.
Steve jedoch war nicht da. Ich sprach ihm auf
die Mailbox und schickte eine SMS gleich hinterher, wobei ich an Vokabeln wie dringend
und sofort nicht sparte.
Okay, das war das. Wo konnte ich es jetzt versuchen?
Da hatte ich doch eben einen Namen erwähnt: Brutsch, mein Freundchen aus Kasachstan.
Eine Bemerkung fiel mir ein: Der Tarek hat voll den Hass auf den Schallmo. Voll
den Hass. Brutsch wusste wahrscheinlich dreimal besser Bescheid als Bungert, wie
an die Türken heranzukommen war. Vielleicht konnte ich ihn am Kirchheimer Bahnhof
abpassen, wo er sich laut Steve öfter herumtrieb. Oder in seinem Kampfsportstudio.
Oder – dritte Möglichkeit – ich besorgte mir seine Handynummer. Bei einem, der seine
Finger überall drin hatte.
Gut, nun hatte ich wenigstens ein Ziel. Ich gab meinem zweirädrigen
Gaul die Sporen und erreichte den Schlossblick eine gute Minute später. Der Andrang
vor dem Imbiss war ein wenig abgeflaut, aber Fred hatte immer noch alle Hände voll
zu tun. Als ich mich zur Durchreiche drängte, machte ich mir eine ganze Menge Feinde.
»Es gibt ein Problem, Fred«, sagte ich.
»Hinten anstellen«, rief einer. Fred schenkte
schweigend Kaffee aus.
»Und zwar ein verdammt großes Problem. Im Laden
deiner Exfrau holt der Notarzt gerade einen jungen Kerl ins Leben zurück, und die
Bullen sind ebenfalls im Anmarsch.«
Fred kratzte sich am Ohr, schwieg aber noch immer.
»Ist der taub?«, lärmte es hinter mir. »Du sollst dich gefälligst anstellen,
Kollege!«
»Ich trink dir deinen Kaffee schon nicht weg«, herrschte ich den renitenten
Spießer an. »Sei froh, wenn die Bude hier diesen Tag überlebt.«
»Auch noch frech werden, oder was?«
Mir reichte es. Ich stürmte um den Imbiss herum, riss die Wagentür
auf und schob Fred einfach beiseite. Dann nahm ich sämtliche Orangensaftflaschen
aus dem Regal und warf sie nacheinander in die Menge. »Hier«, rief ich. »O-Saft
Marke Bremer! Von Fred mit Wodka veredelt. Damit man schon mit 14 das wahre Leben
kennenlernt.«
»Was soll’n das?«, knurrte Fred. Herrgott, der Kerl war wirklich nicht
aus der Ruhe zu bringen!
»Wie hast du den Alkohol denn reingekriegt? Mit einer Spritze, oder
wie?«
»Du machst aber auch einen Aufstand! Wegen ein bisschen Alk in der
Flasche.«
»Hast du das Zeug nur an die Collegeschüler verkauft? Oder auch an
Jüngere?«
»Natürlich nicht. Hab ja Verantwortung. Darf ich jetzt wieder meine
Arbeit machen?«
»Gleich. Das mit dem Wodka mag harmlos sein. Aber wie steht es mit
Brutsch und dem Zeug, das er verkauft? Hast du deshalb so einen guten Draht zu ihm,
weil er es bei dir verticken darf?«
Schau an, nun wurde Fred doch nervös.
»Wie?«, sagte er, und seine dicke Unterlippe zuckte nach links. »Versteh
ich nicht.«
»Natürlich verstehst du. Ich will wissen, ob der Schlossblick als eine
Art Drogenumschlagplatz dient. Was ist los, Fred? Plötzlich so schweigsam?«
»Nö. Nicht schweigsam. Nur … Klingt irgendwie bescheuert, was du sagst.«
»Seid ihr endlich fertig da drin?«, kam es von
draußen. »Oder redet bisschen lauter, damit wir auch was mitkriegen.«
»Schmeckt hervorragend, deine Saftmischung, Fred«,
rief ein anderer. Der Spießer von eben, wer sagt’s denn!
»An deiner Stelle hätte ich auch keine Lust auf
die Bullen«, fuhr ich fort. »Am Schluss finden die noch was bei ihrer Schnüffelei.
Aber ich sage dir was,
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