Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Max Koller: »Für mich auch nicht.«
Die Bedienung, zu Inez: »Für Sie vielleicht?«
Die, lächelnd: »Ich wollte einen Latte und bin rundum zufrieden.«
»Aber irgendjemand hat hier einen Kaffee bestellt«, beharrte die Frau.
Ich sage ja, sie war schlecht drauf. Natürlich hätte ich sie aus ihrem Dilemma befreien
können; Cappuccino oder Kaffee, mir doch egal. Schmeckte eh gleich. Aber allein
um dem geföhnten Schönling an Inez’ Seite nicht nachgeben zu müssen, blieb ich stur.
»Du hast doch gehört, dass ich einen Cappuccino bestellt habe«, wandte
er sich an seine Freundin. Die nickte.
»Also bringe ich noch einen Cappuccino«, kapitulierte die Bedienung
seufzend und nahm den Kaffee wieder an sich.
Sie war schon zwei Schritte von unserem Tisch entfernt, als ich sie
zurückpfiff. »Ich nehme den Kaffee«, erklärte ich. Max Koller, die Großmut in Person,
Held aller Kellnerinnen. Wie kleinkrämerisch musste da ein Elitezögling mit dicker
Lippe wirken!
»Und jetzt?«, wollte Inez nach diesem Intermezzo wissen. »Wie weit
sind Sie mit Ihren Ermittlungen?«
»Ich höre mich dort um, wo die Polizei vielleicht nicht als Erstes
auftaucht. Ich will denen ja nicht in die Quere kommen. Zum Beispiel war ich an
Thorsten Schallmos Schule. Und in diesem Zusammenhang erfuhr ich, dass es eine gewisse
Verbindung zwischen dir und dem Lehrer gab.«
»Scheiße!«, ließ sich ihr Freund hören, seine Tasse absetzend. Tja,
mein Lieber, erst das Personal herumkommandieren und sich dann die Lippe verbrennen!
Inez lehnte sich zurück. Imponierend, wie entspannt das Mädchen wirkte.
»Eine Verbindung? Warum nennen Sie das Ding nicht beim Namen, Herr Koller? Was meinen
Sie, warum Daniel hier bei uns sitzt? Weil ich keine Geheimnisse vor ihm habe. Sie
dürfen frei sprechen.«
»Umso besser. Du hattest ein Verhältnis mit Schallmo, richtig?«
Sie legte den Kopf schief und blickte ihren Freund an. Um ihren Mund
spielte eine Mischung aus Spott, Amüsement und Langeweile.
»Ja«, antwortete sie schließlich. »Was man so ein Verhältnis nennt.
Thorsten hätte mein Vater sein können, aber er war cool. Ich fand, er hatte was.«
Der Blonde nippte an seinem Cappuccino und starrte ins Leere. Ich wartete.
»Wir haben uns im Fitnessstudio kennengelernt«, fuhr Inez fort. »An
der Bar, genauer gesagt. Mich hat nicht gestört, dass er Lehrer war und in einer
völlig anderen Lebenssituation. Im Gegenteil, ich fand das spannend. Ja, und so
ging das dann einige Wochen.« Sie legte eine Hand auf den Arm des Blonden. »Daniel
hat das natürlich nicht gefallen. Aber was sollte er tun? Ich musste es durchziehen.«
Sie machte eine Pause. Ich stützte mein Kinn in eine Hand und schwieg
ebenfalls. Es war einfach zu köstlich, ihren Freund dabei zu beobachten, wie er
so tat, als sei er gar nicht anwesend. Wie er alle Kräfte mobilisierte, um uns zu
zeigen: Ich höre drüber hinweg, mich geht das alles nichts an, ich bin doch bloß
eine Portion Luft. Dass ihm dieser Gewaltakt schier den Kiefer sprengte, war die
andere Sache. Und wenn Inez ihre Hand zurückzog, würde sie eine brennende Wunde
auf seinem Arm hinterlassen.
»Die Geschichte mit Thorsten«, ergriff wieder seine Freundin das Wort,
»war nicht auf Dauer angelegt. Letzten Monat haben wir uns getrennt. In aller Freundschaft
übrigens. Mehr gibt es nicht zu berichten, Herr Detektiv.«
»Und seitdem bist du wieder mit Daniel zusammen?«
»Wir waren nie auseinander«, lächelte sie, tätschelte dem Jungen den
Arm und nahm ihre Hand dann endlich, endlich weg. Daniel zuckte zusammen.
»Verstehe ich nicht«, sagte ich.
»Wieso nicht? Ich hatte nie vor, mich von Daniel zu trennen. Egal,
was mit Thorsten lief. Wenn ich mich mit ihm traf …«
»So weit brauchst du ja nun nicht ins Detail zu gehen«, unterbrach
sie der Blonde, in dem also doch noch Leben steckte.
»Ich gehe nicht ins Detail, ich versuche nur, diesem Herrn hier klarzumachen,
dass man zwei Beziehungen auch mal parallel laufen lassen kann. Eine gewisse Zeit
zumindest.«
»Ich glaube, das hat er verstanden.« Daniel sah mich – vulgo: diesen
Herrn hier – auffordernd an.
»Ich gebe mir Mühe«, grinste ich. »In solchen Dingen bin ich kein Experte.
Was ich aber sehr gut verstehe, ist die Strategie deiner Freundin: ihr Verhältnis
zu Thorsten Schallmo so zu schildern, dass keinerlei Motiv für eine Beziehungstat
erkennbar wird. Keine Wut, keine Enttäuschung, keine Eifersucht.«
»Da gibt es auch kein Motiv«,
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