Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
eine Mail schreiben. Dürfte ich wohl Ihren Computer benutzen, Herr Koller?«
»Der liegt in der Chirurgie. Akuter Leberschaden.«
Der Blonde lachte. Kollege Greiner übernahm: »Sie möchten wohl nicht,
dass jemand an Ihre Dateien geht? Haben wir etwas zu verbergen, Herr Koller?« Wie
beim Ping-Pong spielten sie sich Fragen und Antworten gegenseitig zu. Nach dem Gesetz
der Serie war nun ihr Chef dran. Hallo, Herr Fischer, Ihr Auftritt, bitte!
Da kam er auch schon angepoltert: »Verdammt, Koller, legen Sie endlich
Ihre Karten auf den Tisch! Für wen arbeiten Sie? Für Schneider, diesen Berufscholeriker?
Ermitteln Sie auf eigene Faust? Dass Sie uns dauernd dazwischenfunken, daran haben
wir uns längst gewöhnt, aber dass Sie Beweismittel einsacken, kann keiner von uns
akzeptieren. Da hört die Freundschaft auf, Sie Lümmel!« Herrje, so erregt hatte
ich meinen Lieblingskommissar noch nie erlebt. Seine Äuglein funkelten, die Tränensäcke
hatten sich mit irgendeiner Flüssigkeit gefüllt und drohten zu platzen, am Hals
war eine Ader mächtig angeschwollen. Wenn das mal sein Hausarzt nicht sah!
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, erwiderte ich mit treuherzigem
Augenaufschlag. War ich nicht die lautere Unschuld? Dabei stand ich kurz vor der
Kapitulation. Noch wusste ich zwar nicht, wie viel sie wussten; aber dass sie etwas
ahnten – und dass sie wussten, dass sie zu Recht ahnten –, wussten wir alle. Hochexplosiv,
diese Mischung aus Wissen und Ahnen.
»Vorsicht!« Jetzt fuchtelte mir der Kommissar sogar mit seinem Zeigefinger
vor der Nase herum. »Treiben Sie es nicht zu bunt!«
»So ein Stückchen DNA bleibt immer haften«, sagte Greiner und lehnte
sich entspannt zurück. Hoffentlich gab es viele tiefe Noppenabdrücke auf seiner
Hose! »Da kann man ein Handy noch so oft abwischen. Ist bloß eine Frage der Zeit.«
»Und ich dachte noch«, kam es von Sorgwitz, »wirklich, als ich Herrn
Koller am Morgen nach der Tat am Imbiss sah, dachte ich einen winzigen Moment lang,
er sei zufällig hier.«
»Man hofft halt doch auf das Gute im Menschen.« Greiner griff zur zweiten
Flasche.
»Und wird immer wieder eines Schlechteren belehrt. Was sagen Sie, Chef:
Ist das rote Ding hier ein Feuerwürstchen oder nicht?«
»Das einzige Feuerwürstchen, das ich sehe«, knurrte Fischer, und in
seiner Stimme schwang tatsächlich ein Hauch Verachtung mit, »sitzt neben mir und
lügt uns die Hucke voll. Das kotzt mich an!«
Ich holte Luft. In meinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander.
Fischer war sauer auf mich, sauer wie nie. Gerade weil er im Grunde seines Herzens
so etwas wie Sympathie für mich empfand, hoffte er auf eine gütliche Einigung: auf
mein Zugeständnis, zu weit gegangen zu sein, auf das Offenlegen all meiner Informationen,
vielleicht sogar auf eine Entschuldigung. Aber warum hatte der Kerl dann seine beiden
Wadenbeißer mitgebracht? Warum dieses Lauern und Umkreisen, die ewigen Machtspielchen?
Er wusste doch, dass mich das nur herausforderte! Andererseits wollte ich nun wirklich
keinen Ärger mit dem Kommissar, und je länger ich leugnete, desto größer würde dieser
Ärger werden. Während ich also einen tiefen Atemzug nahm, konnte ich noch nicht
sagen, was der Ausstoß dieser Luft bringen würde: mein Geständnis oder die nächste
Runde unseres Versteckspiels.
In diesem Moment ging die Wohnungstür.
20
»Guten Abend«, sagte Christine überrascht. »Hoher Besuch?«
Ich kann nicht behaupten, dass mich ihr Auftauchen in Begeisterung
versetzt hätte. Die Situation war verfahren genug, da brauchte man nicht auch noch
Zeugen. Wenigstens zur Ablenkung mochte meine Ex taugen.
Und tatsächlich, kaum sahen sie Christine in der Tür stehen, sprang
Kommissar Greiner auf die unbeschuhten Füße, Kommissar Sorgwitz stand stramm, und
sogar Kommissar Fischer rappelte sich von seinem Stuhl hoch.
»Meine Mitbewohnerin«, stellte ich vor. »Christine, das sind die Herren
Fischer, Greiner und Sorgwitz von der Polizei, mit denen ich gerade eine Runde Schafkopf
spielen wollte.«
»Wie schön, Sie alle kennenzulernen«, lächelte Christine und stellte
ihre Tasche ab. »Max hat schon viel von Ihnen erzählt.« Sie reichte Sorgwitz die
Hand. »Aber dass es sich um derart fesche junge Herren handelt, hat er verschwiegen.«
Der blonde Kampfhund ließ die Kinnlade fallen. Das war vielleicht ein
Anblick! Fast hätte er versäumt, Christines Hand wieder loszulassen. Seinem Kumpan,
dem Rottweiler, rutschte vor
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