Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Herr Kommissar! Bitte, Christine, sag es den Zwergen nicht,
es ist mir peinlich.«
»Ihnen ist etwas peinlich?«, staunte Greiner.
»Dann muss es sich ja um eine wahnsinnig unangenehme Sache handeln.«
Sorgwitz verzog das Gesicht. »Um eine furchtbar unangenehme!« Ich wollte nicht wissen,
welche Abartigkeiten er sich in diesem Moment ausmalte.
»Na, dann«, brummte Fischer.
Christine lächelte bedauernd. »Prost, meine Herren!« Automatisch hoben
die zwei Knallchargen ihre Flaschen.
»Und er war nicht im Kundenauftrag unterwegs, Ihr Exmann?« Kommissar
Fischer ließ einfach nicht locker, der alte Nervtöter!
»Das glaube ich kaum. Schließlich hatte er einiges für morgen vorzubereiten.«
Stille. Ich wartete, die Polizisten warteten.
»Morgen?«, fragte Fischer schließlich.
»Unser Hochzeitstag«, erklärte Christine.
Schwupps, da fielen sie wieder, die drei Kommissarskinnladen.
Ja, Koller und Hochzeit, das klang so unwahrscheinlich wie Papst und Kreißsaal,
wie Ghaddafi und Friedensnobelpreis. Und doch hatte es das mal gegeben: eine glückliche
Braut, ein Bräutigam, der sich vorm Rathaus mit drei Gläsern Sekt Mut angetrunken
hatte, und ein pikierter Standesbeamter. Dem war schon damals klar gewesen, dass
es nicht gut gehen würde. Und das soll morgen vor acht oder neun Jahren passiert
sein, falls ich mich nicht grob verschätzte? Deshalb also der Zettel! »Wohin gehen
wir morgen Abend?« Mein Vorschlag: in den Englischen Jäger, um die Erinnerung an
damals komplett zu ertränken.
»Hochzeitstag?«, murmelte Kommissar Fischer geradezu
ehrfurchtsvoll. »Und den wollen Sie groß feiern?«
»Und ob!«, plärrte ich. »So groß, größer geht’s nicht. Was es da zu
organisieren gibt, das können Sie sich nicht … Bin total groggy vom Organisieren,
könnte glatt wieder in die Chirurgie gehen.«
»So?«
»Also, wenn es nach mir ginge«, mischte sich Christine ein, »ich würde
lieber im kleinen Rahmen feiern. Ein Essen zu zweit in der Alten Köhlerei, das reicht.«
Ich zuckte zusammen. Die Alte Köhlerei war eines der besten Lokale
der Stadt. Dort ließ man sich frühestens zur Goldenen Hochzeit blicken.
»Beneidenswert«, knurrte Fischer. »In der Alten Köhlerei war ich schon
seit Jahrzehnten nicht mehr. Eine Cousine meiner Frau führt den Laden, aber die
beiden können nicht miteinander. Außerdem darf ich von den Sachen, die dort auf
der Speisekarte stehen, sowieso die Hälfte nicht essen.« Er sah auf die Uhr. »Tja,
Frau Markwart, dann wollen wir mal nicht länger stören. Sie werden noch einige Vorbereitungen
für Ihren Jubeltag zu treffen haben.«
Von der Couch her hörte man ein zweistimmiges Gluckern. Greiner und
Sorgwitz kippten ratzfatz ihr Bier hinunter, dann erhoben sie sich so synchron,
wie es nur Internatszöglinge hinbekamen. Sorgwitz fragte sogar, ob sie die Flaschen
in die Küche bringen könnten. Gleich würde er Christine einen Heiratsantrag machen!
Finger weg, du Taschendieb, die gehört mir! Und zwar seit zehn Jahren. Oder so.
»Wiedersehen, Frau Markwart.«
»Auf Wiedersehen, die Herren. Hat mich gefreut.« Christine stand auf
und begleitete die Dreierrotte zur Tür.
»Tschühüs«, winkte ich ihnen hinterher. Ansonsten rührte ich mich keinen
Millimeter von der Stelle. Hing in meinem Stuhl, popelte an der Bierflasche herum
und wartete auf meine Ex. Geplänkel an der Tür: hoffentlich nicht gestört – kommen
Sie mal wieder – hat uns gefreut – schönen Abend noch. Zum Totlachen. Irgendwann
waren der Rottweiler und der Kampfhund wieder beschuht und der Spuk vorüber. Ich
hörte Christine die Wohnungstür schließen. Und da kam sie auch schon herein. Über
das ganze Gesicht grinsend.
Ich sah sie an. Christine platzte fast vor Lachen. Ich stellte das
Bier ab. Christine feixte. Jetzt reichte es aber!
»Spinnst du?«, brüllte ich los. »Diese beiden Naturkatastrophen fesch
zu nennen – ich fasse es nicht! Junge Herren! Die drehen doch jetzt völlig durch,
die zwei! Bewerben sich für die Titelseite der Cosmopolitan, schaffen sich eine
eigene Homepage an oder was weiß ich. Wie kannst du mir das nur antun?«
Nun war es aus mit ihrer Beherrschung. Sie bekam einen Lachkrampf.
»Wie du geglotzt hast, Max!«, quietschte sie und fiel auf die Couch.
»Dass in solchen Momenten aber auch nie eine Kamera zur Hand ist! Es war einfach
herrlich.«
»Warum?«, stöhnte ich. »Womit habe ich das verdient? Womit habe ich
so eine Frau verdient?«
»Oh, die hast du dir redlich
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