Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Medizinerattitüde. Aber was suchte er hier?
Unfähig, mich zu rühren, verfolgte ich die Szene. Der Bodyguard ließ
seine Illustrierte sinken und drückte das Kreuz durch. Marc kam näher. Der Bodyguard
stand auf. Marc nahm die Hände vom Rücken, um mit ihnen herumzufuchteln. Wildes
Gestikulieren hier, Schweigen dort. Endlich bewegte sich auch der im Anzug: Er schüttelte
den Kopf. Marc zeigte auf die verschlossene Zimmertür und erntete ein weiteres Kopfschütteln.
Nächste Runde: ärgerliches Emporwerfen der Arme, drohend gereckter Zeigefinger –
no, Mister! Wenn es so weiterging, würde es gleich einen Ringkampf geben.
»Reiß dich zusammen, Marc!«, stieß ich hervor.
Es war der Satz, der meine Starre löste. Ich flitzte los, immer im
Schutz der Dunkelheit, einmal um den Anbau herum, bis zu der Rampe, die zu der Außentür
führte. Kein Mensch zu sehen. Ich drückte die Klinke: offen. Gott sei Dank! Drinnen
suchte ich nach einer Gelegenheit, mich zu verbergen, fand aber nichts. Also wartete
ich außerhalb des Gebäudes.
Und da kam er auch schon: Dr. Marc Covet, Schweißperlen auf der Stirn,
Wut und Enttäuschung im Gesicht. Ich klopfte gegen das Türglas. Du meine Güte, der
Kerl war nicht einmal überrascht, mich zu sehen! Ein Kontrollblick über die Schulter,
dann schlüpfte er zu mir ins Freie.
»Na, endlich!«, flüsterte er. »Muss man hier alles allein machen?«
»Wie bitte? Du spinnst wohl! Was bezweckst du eigentlich mit deinem
Auftritt? Und wo hast du diesen Kittel her?«
»Von Sieghard, woher sonst? Irgendwie muss ich mir ja Zutritt zu dem
Zimmer verschaffen.«
»Und? Erfolgreich?«
»Noch nicht«, zischte er. »Aber mit dir, dem Meisterdetektiv, dürfte
es ein Leichtes sein.«
»Sei froh, dass dich der Gorilla dort drinnen nicht zu Kleinholz verarbeitet
hat.«
»Danke für den Ratschlag! Warum kommst du erst jetzt? Ich warte schon
Ewigkeiten auf dich.«
»Bin ich Hellseher? Ich kann doch nicht ahnen, was du vorhast!«
»Verdammt noch mal!«, platzte es aus Covet heraus. »Und was ist mit
den zig Nachrichten, die ich dir hinterlassen habe? Auf deinem Anrufbeantworter,
auf der Mailbox? Sag jetzt bitte nicht, du hättest keine einzige davon abgehört!«
»Hab ich auch nicht.«
Die Flüche, die mein alter Freund daraufhin von sich gab, waren alles
andere als druckreif. Die hätte mir jede Lektorin der Welt aus dem Manuskript gestrichen,
obwohl sie nur mit halblauter Stimme vorgebracht waren. Ich erklärte Marc, dass
ich mein Handy während des Gesprächs mit Gizem ausgestellt und seither nicht wieder
angeschaltet hatte. Und dass Christine und ich den ganzen Abend außer Haus gewesen
waren. Das Wort Hochzeitstag kam dabei nicht über meine Lippen.
»Verstehst du, das war das Erste, was sie mir sagte, als wir zur Köhlerei
hochfuhren: Stell bloß dein Handy aus, Max! Christine hätte mich eigenhändig den
Königstuhl runtergeschmissen, wenn unser heiliges Mahl durch einen Klingelton entweiht
worden wäre. So. Außerdem bin ich jetzt da.«
»Ja, jetzt bist du da«, schimpfte Covet. »Gleich
schlägt es Mitternacht, aber Max Koller hat es auch schon geschafft.«
»Alte Heulsuse! Kannst du mir mal verraten, welche
Story du dem Muskelprotz da drinnen aufgetischt hast?«
Marc wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Was werde ich wohl gesagt
haben? Dass ich die Medikation des Patienten überprüfen müsste. Es hätte einen Fehler
gegeben und so was.«
»Das hat ihm aber nicht imponiert.«
»Nein, ihm ist eingeschärft worden, nur ganz bestimmte Personen vorzulassen.
Den Chefarzt, ein oder zwei Pfleger, sonst niemanden. Ich behauptete, ich käme vom
Chef, aber das war ihm zu vage. Er wollte eine schriftliche Bestätigung sehen oder
gleich den Anruf von ganz oben.«
»Und dann?«
»Ich sagte ihm, wenn der Präsident stirbt, ist das Ihre Schuld; er
meinte, er hätte seine Anweisungen, und so ging es eine Weile hin und her. Am Ende
drohte ich, den Chef aus dem Bett zu klingeln, aber nicht mal das fruchtete.«
»Blöd gelaufen.«
Achselzuckend zog er einen Gegenstand aus der Tasche. »Ein letztes
Mittel hätte ich da noch.«
»Pfefferspray!« Ich nahm ihm die Metalldose aus der Hand. »Was willst
du denn damit, Marc? Du bist doch ein Mann des Wortes. Weißt du überhaupt, wie man
das Ding in Gang setzt?«
»Theoretisch, ja«, murmelte er.
»Überlass die Praxis lieber mir.« Ich steckte das Spray ein. »Okay,
wie gehen wir vor? Wenn der Typ tatsächlich glaubt, du seist auf dem Weg zum
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