Schlucht der Daemonen
ansatzweise einen Reim darauf machen, warum der Indianer den Hengst gestohlen hatte. Und dabei war Snowflake noch nicht einmal gescheckt!
An Schlafen war eigentlich nicht mehr zu denken. Zwar war es ziemlich unwahrscheinlich, dass sich die Kitanemuk noch ein zweites Mal in dieser Nacht würden blicken lassen, aber keiner war cool und abgebrüht genug, um sich jetzt noch einmal aufs Ohr zu legen.
Keiner außer Sealer. Der Cowboy schien zum einen Nerven wie Drahtseile zu haben und zum anderen nicht viele Gedanken an das Schicksal seines Kollegen verschwenden zu wollen. Jedenfalls war er der Einzige, der nach einer kurzen Lagebesprechung wieder in seinen Schlafsack kroch und bald darauf auch wirklich laut und vernehmlich schnarchte.
Bei der Besprechung war abgemacht worden, sich bei Sonnenaufgang auf die Suche nach Jones zu machen. Donovan meinte, dass die Spuren, die die zwei Pferde hinterlassen hatten, eigentlich sehr gut zu lesen sein müssten und man so herausfinden könnte, wohin Jones gebracht worden sei. Was man allerdings tun wollte, wenn man ihn dann vielleicht gefunden hatte, darüber sagte er nichts.
Donovan verbrachte den Rest der kurzen Nacht unten bei den Pferden und kam erst wieder gegen vier Uhr morgens zurück, um allmählich das Frühstück vorzubereiten. Die drei ??? hielten sich bis dahin ausschließlich am Lagerplatz auf, wobei jeder von ihnen die Zeit auf seine Art totschlug. Peter lief fast ununterbrochen im Kreis, angeblich um sich warm zu halten, tatsächlich aber, weil er einfach keine Ruhe fand, um sich irgendwo hinzusetzen.
Bob dagegen saß die ganze Zeit unbeweglich wie eine Statue auf dem Boden. Das hatte zwar zur Folge, dass es ihn bald erbärmlich fror – Peter hielt sein Zähneklappern im ersten Moment sogar für eine Klapperschlange –, dafür ließ aber das Tosen in seinem Schädel ganz allmählich nach.
Und auch Justus machte nichts, was für ihn ungewöhnlich gewesen wäre: Er dachte lippeknetend nach. Unablässig walkten sein Zeigefinger und sein Daumen die bald butterweiche Unterlippe. Aber auf Nachfrage seiner beiden Kollegen, worüber er denn nachgrüble, antwortete Justus nur mit einem unwirschen »Jetzt nicht!« und massierte mürrisch weiter.
Sealer schlief die ganze Zeit über ruhig wie ein Baby und ließ sich auch durch das Geschepper nicht wecken, das Donovan bei seinen Vorbereitungen fürs Frühstück verursachte. Erst als die ersten grauen Flecken das Schwarz am östlichen Horizont aufweichten und die altbekannten Düfte von Kaffee, Speck und Bohnen durch das Lager zogen, schlug er gähnend die Augen auf.
»Nicht schon wieder!«, jammerte Peter, als ihm der Geruch der Bohnen in die Nase stieg.
Bob nickte beipflichtend. »Ich glaube, ich lass das Frühstück heute ausfallen.«
»Hat jemand von euch noch ’n Schokoriegel dabei?« Auch Justus konnte Speck mit Bohnen nicht mehr sehen, geschweige denn essen. »Ich dachte immer, das wäre ein Klischee, dass Cowboys nur dieses Zeug essen, aber offenbar kennen die wirklich nichts anderes!«
Doch die Schokoriegel, von denen jeder der drei Jungs vorsorglich zu Hause ein paar eingepackt hatte, waren längst aufgegessen und Donovan bestand darauf, dass alle ein ordentliches Frühstück zu sich nahmen. Es würde bestimmt ein harter Tag werden und sie bräuchten unbedingt etwas im Bauch, so der Cowboy.
Grummelnd würgten die drei ??? daraufhin die fade Pampe hinunter, spülten mit ein paar Schlucken Wasser nach und waren zum ersten Mal fast froh, bald danach wieder auf ihre Pferde steigen zu können. Solange sie ritten, mussten sie wenigstens nichts essen.
Die Spuren, die der Indianer hinterlassen hatte, waren wirklich kaum zu übersehen. Wie ein unendliches Band zogen sich die Hufabdrücke durch den weichen Steppenboden erst Richtung Südosten und bogen nach einer Weile nach Nordosten ab.
Sie waren etwa eine Stunde unterwegs, als sich vor ihnen ein schmales Tal öffnete, das links und rechts von niedrigen Felsabbrüchen eingerahmt war. Irgendwann früher musste hier einmal ein Fluss durchgeflossen sein, der diesen Einschnitt in die Wüste gegraben hatte.
Aber keiner achtete auf die markanten Gesteinsadern in den fast senkrechten Wänden oder die gespenstisch verkrüppelten Bäume, die hier wuchsen. Denn nahe am Eingang dieses Tals knabberte Snowflake an einem dürren Busch und nicht weit davon entfernt lag Jones an einen Felsen gelehnt.
»Jones!«, rief Donovan und schlug Dancer die Hacken in die Seiten.
Weitere Kostenlose Bücher