Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
verließen das Haus. Jede von uns trug ein Titten-T-Shirt. »Ich wollte immer schon mal Brüste wie Sophia Loren haben«, jubelte Brigitte. Das war eine komplette Fehleinschätzung: Sie sah eher aus wie eine Kreuzung aus Pamela Anderson und einem Gemälde von Picasso – irgendwie grotesk und so, als hätte man den Sinn dahinter noch nicht richtig verstanden. Aber so etwas wie Sinn war mir da sowieso schon egal.
Wir quetschten uns zu zwölft in zwei Opel Corsas, und die beiden Nüchternen fuhren uns in die nahe gelegene und doch Universen entfernte Großstadt, unserem ungewissen Schicksal entgegen. Bevor wir die Autos auf dem Heiligengeistfeld wieder verließen, mussten wir alle kleine rote Hütchen und Pappnasen aufsetzen und uns mit Lippenstift gegenseitig Herzchen auf die Wangen malen. Fast überflüssig zu erwähnen, dass im Autoradio die ganze Zeit Marianne Rosenberg in glaszerberstender Lautstärke lief. »Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür«, kreischten alle – außer mir vielleicht, denn ich kann nicht singen – verzückt mit. Dabei wohnten die meisten hinter Türen mit dem Namensschild ihrer Eltern oder hatten ihren Nachnamen mit der Eheschließung genauso aufgegeben wie die Überlegung, die angesparten Summen auf ihren Bausparverträgen einfach zu verjubeln. Die Namen auf den Türschildern waren nicht immer die bessere Wahl: Gesine hieß vor ihrer Hochzeit schlicht und einfach Meier, jetzt unterschreibt sie mit Gekröse. Tja, wo die Liebe eben hinfällt. Da kann man wohl nichts machen.
Simone war die einzige, die keinen Umschlag bekommen hatte, sie musste dafür mit einem Bauchladen herumlaufen und Schnullerflaschen voller Liebesperlen mit selbstgebastelten Etiketten, auf denen Viagra stand, verkaufen. Das Geschäft lief erstaunlich gut, manche Kunden wollten allerdings das Produkt gleich gemeinsam mit Simone testen. Sie lehnte dankend ab, trotz zahlreicher Hinweise auf die Letzte-Chance -Oberbekleidung. Ich hatte den Verdacht, sie fühlte sich geschmeichelt.
Brigittes Aufgabe war es, in einer Diskothek auf der Bühne einen Cancan zu tanzen, bei dem man ihren Slip sieht. Kein Problem für Brigitte, sie trug sowieso zu der Zeit ausschließlich Mini in Kombination mit Wochentags-Unterhosen – allerdings nie die richtige. Es war Samstag, und sie hatte ganz offensichtlich den Montag an.
Es war viertel nach elf, als wir schließlich in einen Sexshop einfielen. Einen sehr großen, sehr vollen Sexshop. Wir zogen kichernd an den Regalen lang, nahmen prüfend Dildos in die Hand, fochten mit Vibratoren und tuschelten uns die Namen der Sexfilme zu. Als es gerade richtig lustig wurde, holte Simone aus dem Bollerwagen, den wir zwecks Schnapstransport mit uns führten, einen Ghettoblaster und forderte mich auf, meinen Umschlag zu öffnen. Du wirst Saving all my love for you von Whitney Houston singen – sehr laut und mit dem größten Dildo, den es im Sexshop gibt, als Mikrofon. Ein Textblatt steckte auch im Umschlag. Brigitte reichte mir den Karibikblauen – das größte Modell war ein mannshoher Aufsteller aus Pappe –, Simone schubste mich auf ein kleines Podest, und Gesine schaltete den Kassettenrecorder an.
Mein Pflichtgefühl war ebenso groß wie mein Alkoholpegel hoch, deshalb krallte ich meine Hand fest um den Dildo und begann zu singen. Eher: zu jaulen, denn ich kann ja nicht singen. Das aber inbrünstig und laut. » A few stolen moments is all that we share. You' ve got your family, and they need you there. Though I' ve tried to resist, being last on your list, but no other man's gonna do« , intonierte ich voller Leidenschaft. »So I' m saving all my love for you!« Und plötzlich ging mir auf, wovon dieses Lied handelte: Eine Frau sitzt zuhause und wartet auf ihren Geliebten, doch der ist bei seiner Familie. Sie ist sehr tapfer und sehr verzweifelt. Wahrscheinlich wird sie ihr ganzes Leben wartend verbringen. Ich wurde plötzlich unendlich traurig, mir schnürte sich die Kehle zu, Tränen schossen mir in die Augen und vernebelten meinen Blick. But the Show must go on, heißt es doch immer, also machte ich einen Schritt nach vorn, geriet ins Taumeln, und zu meinem tiefen, seelisch empfundenen Schmerz gesellte sich alsbald ein dumpfer körperlicher. Ich war gegen die hölzerne Halterung des Pappdildos getreten, hatte die verkaufsfördernde Erektion und mich zu Fall gebracht und dabei eine aufgeblasene Dolly-Buster-Puppe mitgerissen, aus der mit einem lauten Pffffffff die Luft entwich. Der
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