Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Sparkassenangestellte im Tresorraum ermordet aufgefunden. Der Mörder ist der Filialleiter, der meinem Chef, Herrn Markmann, erstaunlich ähnlich sieht. Der gleiche Schnauzbart, die gleichen etwas zu kurzen Anzughosen, der gleiche scheele Blick. Außerdem hat die Tatort -Sparkasse die gleiche kuhfladengrün-gemusterte Auslegeware wie mein Arbeitsplatz.
Während der Kommissar den leer geräumten Tresor inspiziert, werfe ich einen verstohlenen Blick zu Heiner hinüber. Nein, er ist kein Gott wie Herr Wesseltöft, wirklich nicht. Aber er sieht schon nett aus, wie er da so sitzt und sich auf den Krimi konzentriert. Irgendwie arglos, und auch, wenn er manchmal etwas krätzig ist und meint, ich solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern – ich mag Heiner. Er gehört zu meinem Leben wie ... ja, wie eigentlich? Wie meine Mutter? Wie Brigitte? Ganz sicher nicht. Vielleicht wie mein Auto? Wie etwas, das zu mir gehört, das ganz praktisch und angenehm sein kann – aber mehr auch nicht.
Über die Frage, warum ich Heiner und meinen Opel Corsa auf die gleiche Stufe stelle, möchte ich lieber nicht weiter nachdenken. Es ist ja auch schon spät. In spätestens fünfundzwanzig Minuten wird der Verbrecher überführt und ich vor Sabine Christiansen ins Bett geflohen sein.
***
Montag, 9. Mai
Am Montagmorgen gehe ich mit einem etwas mulmigen Gefühl zur Arbeit. Gut, dass es hier gar keinen Tresorraum gibt, sondern nur einen großen Panzerschrank im Büro von Herrn Markmann. Dieses Zimmer werde ich heute einfach meiden.
»Du sollst mal zu Herrn Markmann kommen«, sagt Susi als erstes zu mir, als ich meine Tasche auf dem Schreibtisch hinter der Panzerglaswand abstelle. Dabei sieht sie mich nicht an, sondern widmet sich weiter konzentriert ihrem Morgenritual, dem kunstvollen Arrangieren ihrer Tagesportion Süßigkeiten.
Diese Anweisung durchkreuzt in unvorhergesehener Weise meinen Sicherheitsplan. »Hat er denn gesagt, um was es geht?«, frage ich.
»Nö«, murmelt Susi, spekuliert dann aber: »Wahrscheinlich hängt es mit der Modernisierung zusammen. Ich habe vorhin dieses Fax abgefangen.« Sie grinst verschwörerisch und zieht vorsichtig ein paar Blätter unter einer Schokokuss-Pyramide heraus. Viel ist darauf nicht zu erkennen, es scheint eine Grundrisszeichnung zu sein, sehr grau in grau. Mit Mühe kann ich die geplante Neuaufteilung des Schalterraums dechiffrieren. Sieht ganz schick aus. Aber es gibt nur noch einen Schreibtisch. Susi scheint das noch nicht aufgefallen zu sein. »Das ist doch mal echt edel!«, schwärmt sie und wechselt dann ohne Überleitung das Thema: »Hast du gestern den Tatort gesehen?«
»Natürlich, gucke ich doch immer.«
»Der war vielleicht spannend! Und gruuu-se-lig! Und dass die Tote dann auch noch Silke heißen musste – ich hab die ganze Zeit an dich gedacht.«
»Du wärst mich wohl gerne los?«
»Ach, du spinnst ja«, sagt Susi aufgesetzt empört mit einem ertappten Du-kannst-wohl-Gedanken-lesen -Blick. »Aber wie ist es denn überhaupt ausgegangen? Ich bin leider mittendrin eingeschlafen.«
Ich erzähle Susi haargenau, wie der Fall aufgeklärt wurde, mit allen blutigen Details und überrasche sie mit der Enthüllung: »Und der Mörder war – der Filialleiter.«
»Nein!«, haucht Susi.
»Doch!«, hauche ich zurück und setze nach einer dramatischen Kunstpause mit Grabesstimme nach: »Herr Markmann!«
Susi stößt einen kurzen schrillen Schrei aus und fuchtelt mit den Armen.
»Meine Damen, meine Damen!«, ertönt hinter mir die nicht so wahnsinnig imposante Fistelstimme von Herrn Markmann. »Ich habe den Krimi ja auch gesehen. Silke, würden sie jetzt trotzdem bitte in mein Büro kommen?«
Er spricht mich mit dem Namen des Opfers an! Er will mich in den Tresorraum locken (oder in Ermangelung eines Tresorraums zumindest in die Nähe des Panzerschrankes)! Er ist ein Copy-Killer! Er will umsetzen, was er im Fernsehen gesehen hat! Man sollte solche Gewaltdarstellungen verbieten! Ich nehme mir vor, das nächste Mal bei einer Unterschriftenaktion gegen Brutalität in den Medien mitzumachen. Wenn es denn ein nächstes Mal geben sollte!
Ich folge Herrn Markmann zögerlich in sein Büro und nehme auf dem mit quietschendem Kunstleder bezogenen Besucherstuhl Platz. Bei jeder Bewegung entweicht dem Polster mit einem unangenehmen Geräusch Luft. Als säße man auf einem Furzkissen. Ich sitze möglichst starr da und überlege fieberhaft, was für ein Motiv Herr Markmann hat. Eifersucht?
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