Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
und Titel haben wie Frauen, die Prosecco trinken .
***
Sonntag, 8. Mai
Dröhnender Maschinenlärm weckt mich. Mein erster Gedanke: Ich habe vergessen, den Fernseher auszuschalten. Aber warum senden die statt der Morgenandacht um diese Zeit Terminator 2 ? Ich taste nach der Fernbedienung und hämmere auf die Aus-Taste, doch der Krach hört nicht auf. Es kann sich nur um einen echten Maschinenangriff handeln. Warum habe ich keine Sirenen gehört? Ich will Heines wecken, doch der ist nicht da, wahrscheinlich ist er schon mit der Freiwilligen Feuerwehr ausgerückt, die Welt retten.
Todesmutig sehe ich aus dem Fenster – hinab in ein tiefes Loch. Dort drüben hat gestern noch mein Liegestuhl gestanden. Als Grab für die von mir erlegte Wespe finde ich das jetzt etwas übertrieben. Der Lärm erstirbt und wird von einem leisen Ploppen abgelöst.
Ich öffne das Fenster, lehne mich hinaus und rufe zu Heiner und seinem Kumpel Kalle runter: »Was macht ihr denn da?«
»Bier trinken. Sieht man das nicht?«
»Doch, ja. Sehr deutlich. Und mit dem großen Ding da hinter euch habt ihr die Flaschen aufgemacht, oder was?«
Heiner dreht sich um und betrachtet den Bagger, an dessen Rad er sich gelehnt hatte: »Kann man so sagen.« Kalle schickt ein dumpfes »Höhöhöhö!« in den Sonntagmorgen.
Ich wüsste es doch gerne etwas genauer und frage nach: »Und das Loch da?«
»Da kommen die leeren Flaschen rein.«
Ich werde den Eindruck nicht los, als hätten die Jungs schon vor dem Buddeln mit den Buddeln angefangen. Ganz nüchtern wirken sie nicht.
Noch ein Versuch: »Jetzt mal im Ernst!«
Heiteres Gegröle: »Aus Spaß wurde Ernst. Ernst ist jetzt vier Jahre alt.« Heiner nutzt seit Jahren jede noch so unpassende Gelegenheit, diesen Witz zum Besten zu geben.
Ich gucke einfach weiter runter. Vielleicht kommt ja noch eine Erklärung. Männer sind manchmal etwas langsam.
»Also«, setzt Kalle an, »mein Onkel hat mir den Bagger geliehen. Und da dachten wir, das ist doch mal eine günstige Gelegenheit, den Keller auszuheben. Für das Haus.«
Meine Gedanken wandern zu Herrn Kurz und seiner Männer-brauchen-einen-Keller-Weisheit. Bestimmt steht auf dem Bagger auch irgendwo Power drauf.
»Wir haben noch gar kein Haus«, sage ich nüchtern.
»Ach was. Der Keller kommt immer zuerst. Nachträglich wäre das ja wohl ein bisschen schwierig.«
Ja, damit hat Heiner wohl Recht. Es fällt ein wenig schwer, mir das einzugestehen. »Aber wir wissen doch noch gar nicht, wie groß das Haus ...«
»Aber, aber, aber«, schneidet Heiner meinen durchaus ernst gemeinten Einwand ab, in dem er mich nachäfft. Er setzt noch einen drauf: »Kümmer du dich lieber um deinen eigenen Kram.«
Das sitzt. Ich ziehe den Kopf ein, mache das Fenster zu und lege mich wieder unter die Dachschräge ins Bett. Heiners Seite sieht so unberührt aus, das Kopfkissen ist gar nicht zerknautscht, und auf dem Boden liegen keine dreckigen Socken herum. Wahrscheinlich hat er die ganze Nacht mit Kalle gesoffen und Karten gespielt. Und dabei den Keller-Plan ausgeheckt. So richtig gerade sieht das Loch auch nicht aus. Naja, notfalls wird es eben wieder zugeschüttet. Oder man macht einen Teich draus. Ist doch sowieso recht sumpfig, die Wiese.
Ich überlege, was der eigene Kram sein könnte, um den ich mich kümmern soll, und da fällt mir gleich wieder Herr Wesseltöft ein. Ich vergewissere mich, dass das Fenster wirklich geschlossen ist, damit mir diesmal keine Wespe dazwischen kommt. Diesmal gelingt mir eine fast pannenfreie erotische Phantasie. Also wird der Sonntagmorgen doch noch ganz nett.
Später gucke ich mir das Kellerloch aus nächster Nähe an. Es ist zur Hälfte mit Grundwasser vollgelaufen, an den Rändern üben sich Frösche im dramatischen Sturzköpper.
Mutti kommt kurz vorbei, um meine Kleidung zu kritisieren. Ich finde zerrissene Jeans und ein T-Shirt mit einem neonfarbenen Wham -Aufdruck völlig akzeptabel für einen Sonntagnachmittag, aber sie insistiert: »Du solltest dir mal so einen etwas längeren, enger geschnittenen Schlabberrock kaufen. Die sind jetzt ganz modern.« Ich habe keine Ahnung, was sie meint, rette aber mit einem fröhlich vorgetragenen »Ja, Mutti, das mache ich!« die Stimmung.
Abends leistet Heiner mir beim Tatort Gesellschaft. Es ist ein sehr harmonischer Abend: Er isst nicht und er redet nicht. Das ist gut so, denn mir in den Tatort zu quatschen ist noch schlimmer, als mich im Bad anzusprechen. Diesmal wird eine
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