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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Vielleicht sind hier ganz viele Leute arbeitslos, aber sie halten es geheim? Verschanzen sich den ganzen Tag im Haus, damit es niemand mitbekommt? Und die Vorhänge sind alle nur Tarnung, damit niemand sehen kann, was sich drinnen abspielt? Hat nicht Frau Meier gerade ihr Auto verkauft? Verkaufen müssen? Und da, gegenüber: Hat sich die Gardine von Kruses nicht gerade verdächtig bewegt? Die müssten doch beide bei der Arbeit sein. Und wenn nicht? Werde ich etwa beobachtet? Und wenn ja: Welche Schlüsse kann man daraus ziehen? Wenn nun jemand auf die Idee käme, ich säße hier nur rum, weil ich gefeuert wurde ... wäre ich die erste Arbeitslose des Dorfes, von der man wüsste, dass sie arbeitslos ist. Bei mir käme der Makel, den alle so geschickt zu kaschieren wissen, ans Licht. Nein, das muss ja nun nicht sein. Deshalb darf ich hier auf gar keinen Fall weiter herumsitzen. Wie sieht das denn aus!
    Ich denke schon wie meine Mutter.
    Nach Hause will ich auch nicht, also gehe ich erst mal spazieren. In meinen Wald. Von meiner Oma habe ich vor ein paar Jahren ein idyllisches kleines Stück Mischwald geerbt. Ein winziges Stück, es stehen genau dreiundzwanzig Bäume darauf. Dazu noch eine Wiese, direkt an der Autobahn. Die habe ich an einen Bauern verpachtet, hin und wieder grasen ein paar Kühe darauf. Nervöse Viecher, wahrscheinlich bekommt ihnen der Lärm der vorbeidonnernden LKW nicht so recht.
    Das hört sich jetzt an, als sei ich eine Großgrundbesitzerin, aber das Land ist fast wertlos. Es liegt außerhalb des Bebauungsplanes. Nur Bauland bringt Geld. Aber mir ist das egal. Der Wald ist mein Lieblingsplatz. Als ich noch klein war, hat meine Oma mit mir hier gemeinsam Bickbeeren gesucht und mir aufregende Geschichten aus ihrer Jugend erzählt. Von den vielen Verehrern, die sie hatte – davon durfte ich Opa allerdings nie etwas verraten. Von den Reisen, die sie gemacht hat, nach Kenia und Sri Lanka. Meine Oma hat immer in diesem Dorf gelebt. Aber sie hat viel von der Welt gesehen. Noch mit 85 hat sie Pauschalreisen nach Venedig gebucht. Bustouren, nicht gerade komfortabel. Ihre Tochter, meine Mutter, war immer sehr besorgt: »Mutter, wenn dir nun unterwegs etwas passiert ...« Aber meine Oma wies alle finsteren Bedenken mit einem Satz zurück: »Ach was«, sagte sie, »sterben kann ich auch woanders.« Ist sie aber nicht. Sie ist zuhause gestorben. In ihrem Dorf. Meine Oma war zufrieden mit ihrem Leben. Allerdings wurde ihr auch nie gekündigt.
    Ich schlendere auf den Laubhaufen zu, den meine Eltern im Herbst hier abgeladen haben, und mir fällt die Räuberpistole ein, die meine Mutter dabei erlebt hat. »Fast wäre ich im Knast gelandet«, rief sie aufgeregt ins Telefon.
    »Was hast du denn ausgefressen?«, fragte ich. »Mal wieder beim Zahnarzt ein paar Zeitschriften aus dem Wartezimmer mitgehen lassen?«
    »Blödsinn, das war doch Omas Spezialität. Gar nichts habe ich angestellt! Dein Vater und ich haben den Rasen geharkt und das Laub auf den Anhänger geladen und im Wald abgeladen. Als wir wieder zuhause waren, war Papas Mobiltelefon weg – das hatte ich vorher noch in meiner Jackentasche. Das gute Telefon. Wir haben die Nummer gewählt und gehorcht – aber nichts gehört. Draußen war es schon dunkel, aber es half ja nichts: Wir sind wieder in den Wald gefahren. Dein Vater hat mit einer kleinen Taschenlampe geleuchtet, während ich mit beiden Händen das Laub durchwühlt habe. In dem Moment, als ich das Telefon gefunden habe, kommt ein Streifenwagen vorbei. Zwei Polizisten springen mit gezogenen Pistolen heraus und rufen: Hände hoch! Sie sind verhaftet!«
    »Niemals, Mutti, du übertreibst.«
    »Okay, erwischt. Sie sind ganz normal ausgestiegen und wollten unsere Ausweise sehen. Meine Herren, habe ich zu ihnen gesagt, wer nimmt denn schon seinen Personalausweis mit, um im Wald ein Handy zu suchen? Sie können mich gerne festnehmen, für mich zählt heute nur, dass ich das Telefon wieder gefunden habe, und wenn das strafbar ist, bitte, tun Sie ihre Pflicht, aber meine gute Laune werden Sie damit nicht verderben.«
    »Und? Haben sie dich festgenommen?«
    »Aber nein, Kind, mach dir mal keine Sorgen. Sie waren sehr einsichtig. Allerdings haben sie mit einem Anruf unsere Identität überprüft. Als ob sie mir nicht geglaubt hätten. Wahrscheinlich haben sie gedacht, wir seien Diebe und wollten heiße Ware verstecken.«
    »Bestimmt, Mutti, ganz bestimmt.«
    Das Leben meiner Mutter ist immer aufregend, immer

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