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Schlüsselspiele für drei Paare

Schlüsselspiele für drei Paare

Titel: Schlüsselspiele für drei Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erste öffnete, sah er auf dem Bett etwas liegen, was er sonst nur in beschlagnahmten Zeitschriften oder auf eingezogenen Bildern hatte betrachten können.
    Ein weißer Körper … verwühlte Haare … Schmollmündchen im tiefen Schlaf … Ratzel blieb im Türspalt stehen und betrachtete das schöne Bild mit intensivem Interesse. Die Worte Kommissar Singerts kamen ihm in den Sinn. »Ratzel, Sie sind Familienvater!«
    Leise zog er die Tür wieder zu. Ästhetisches Interesse darf man wohl noch haben, dachte Ratzel und kraulte sich die Haare. In ein paar Stunden ist sowieso alles vorbei. Dann sitzen sie alle in der Grünen Minna.
    Und so pilgerte Ratzel von Zimmer zu Zimmer. Und immer das Gleiche: schön geformtes Fleisch … ausgestreckt, verkrümmt, auf dem Rücken, auf dem Bauch liegend … süßlicher Duft, Wärme und Lockung …
    Nach einer halben Stunde stillen Studiums stand Ratzel wieder unten in der Halle und tupfte sich kleine Schweißperlen von der Nase. Dann ging er wieder zur Kellertreppe, holte seinen Werkzeugkasten und trottete zur Küche, wo ihm der Duft von Kaffee entgegenschlug. Die Köchin hantierte am Toaster.
    »Alles erledigt?« fragte sie etwas freundlicher.
    »Ja.« Ratzel grinste. »Es tropft kein Hahn mehr.«
    »Wollen Sie eine Tasse Kaffee?«
    »Wenn es erlaubt ist.«
    »Die Chefin steht nicht vor zwölf Uhr auf. Und die anderen Damen …«
    »Was? Hier sind viele Damen?« fragte Ratzel und setzte sich an den Küchentisch. »Hui! Da geht's wohl rund hier?«
    Die Köchin schob ihm eine Tasse Kaffee hin und einen Toast mit Honig. »Das ist ein anständiges Haus!« sagte sie grob. »Was ihr Kerle immer gleich denkt … Trinken Sie Ihren Kaffee und dann raus!«
    Fröhlich pfeifend verließ Ratzel kurz darauf die alte, von außen so düstere Villa. Wie man's auch betrachten mag, beruflich oder privat: Für ihn hatte der Tag gut begonnen.
    Seit einigen Tagen stellte Julia Bentrob etwas Merkwürdiges bei sich fest: Ihr war beim Aufstehen übel, sie würgte, ohne daß sie etwas erbrach. Schwindel ergriff sie, und dann saß sie am Kaffeetisch, konnte nichts essen und hatte doch einen wilden Hunger. Im Betrieb, der Papiergroßhandlung, wurde sie zweimal ohnmächtig, ganz kurz nur, sekundenlang; und als sie in der Mittagspause in einem Lokal, wo sie immer aß, ein Glas mit Gurken auf der Theke stehen sah, bekam sie einen Heißhunger auf etwas Saures.
    Sie erzählte Ernst Fallers davon, aber er lachte nur, unwissend wie junge Männer nun einmal sind. Erst als es einer Kollegin auffiel, wie blaß sie in letzter Zeit war und daß sie manchmal grundlos würgend an der Schreibmaschine saß, fiel die Wahrheit über Julia wie ein herabstürzender Himmel.
    »Übelkeit am Morgen, Hunger auf was Saures … Julchen, du bekommst ein Kind!« sagte die Kollegin.
    »Du … du bist verrückt«, stammelte Julia Bentrob, aber schon während sie das sagte, wußte sie, daß es die schreckliche Wahrheit war. »Das kann nicht sein.«
    »Sprich mal mit Ernst darüber. Der wird's schon wissen.«
    Es wurde an diesem Tag noch viel über das Thema gesagt; meist Spötteleien oder Erzählungen aus eigenem Erleben. Man ist nicht prüde unter Arbeitskolleginnen, und gerade Frauen erzählen aus diesem Bereich mehr als Männer. Ihnen genügen ein paar Bemerkungen, dann lächeln sie, schweigen und wissen alles aus eigener Erfahrung. Frauen gehen ins Detail; ihr Herz sprudelt einfach über, denn Liebe ist in jedem ihrer Blutstropfen.
    Nach der Mittagspause ließ sich Julia zwei Stunden freigeben und ging zu einem Arzt. Als sie nach der Untersuchung wieder auf der Straße stand, war die Welt vor ihr grau und schattenhaft.
    Ein Kind, dachte sie. Ein Kind, mein Gott, mein Gott. Und nicht von Ernst. In jener Nacht ist es geschehen, in den gräßlichsten Stunden meines Lebens. In dem kleinen Zimmer draußen in Grünwald. Ich habe mich gewehrt bis zum letzten, ich habe mich zusammengekrümmt wie ein Wurm – aber er war stärker. Nun ist es in mir, und es wird wachsen und wachsen, und es hilft keine Lüge mehr.
    Ich bekomme ein Kind.
    Julia Bentrob ging nicht in ihre Papiergroßhandlung zurück, sondern fuhr hinaus in Richtung Starnberg. In Feldafing stieg sie aus und ging zu Fuß die Bahnlinie entlang nach Tutzing. Ab und zu blieb sie stehen und starrte auf die Schienen. Ein feiner Nieselregen durchnäßte sie nach wenigen Minuten, über dem See lagen tiefe Wolken, die kahlen Bäume sahen sie an wie Gerippe.
    Es gibt keinen Ausweg, dachte sie.

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