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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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Stöckelschuhe an einer Hand baumelnd, die Handtasche an der anderen. Die Nacht war dicht und beschirmend, alle Lichter wirkten gedämpft, Palmen schwankten sachte im Wind, entlang der Hochwassermarke reihten sich leere palapas wie verlassene Wohnstätten eines vergessenen Volkes. Mit Füßen so massig wie Schneeschuhe schlurfte Lester schwerfällig durch den tiefen Sand, während Kinder und Hunde einander den Strand auf und ab jagten, verschwommene Schatten vor dem weißen Gekräusel der Wellenlinie. In den dunkleren Schatten der Palmen standen Grüppchen von Menschen herum, die redeten und lachten, bis ihre halblaute Unterhaltung in der nächsten Serie von Brechern unterging, die gegen die Küste brandete. Lester wollte eigentlich etwas sagen, irgend etwas, aber sein Hirn war wie zugeklebt, und ihm fiel einfach nichts ein, also wanderten sie schweigend dahin und nahmen das alles in sich auf.
    Als sie das Restaurant erreichten – ein paar Tische im Freien neben einer flachen Lagune, die kräftig nach Seetang und Moder roch –, wurde er langsam wieder locker. Die Tische hatten weiße Decken, der Kellner war eilfertig und gravitätisch zugleich und nahm Lesters malträtiertes Spanisch mit Gleichmut hin. Drinks wurden gebracht. Lester war in seinem Element. »Also«, begann er, beugte sich über den Tisch vor und versuchte so nebenbei wie möglich zu klingen, während Gina sich eine Limonenspalte in ihren Drink preßte und den Schuh an ihrem schmalen, schlanken Fuß herabbaumeln ließ, »du bist nicht verheiratet, oder? Ich meine, weil ich keinen Ring oder so sehe...«
    Gina zog die Schultern ein, nahm ein Schlückchen von ihrem Drink – sie hatten beide Margaritas bestellt, mit Tequila von ganz oben im Regal gemixt – und starrte auf den dunklen Strand hinaus. »Ich war’s mal, mit einem richtigen Vollidioten«, sagte sie, »aber das ist lange her. Mein Manager, Gery O’Connell – der ist Ire, weißt du? –, also er und ich hatten eine Zeitlang was miteinander, aber inzwischen ist das eingeschlafen. Irgendwie.« Sie hob den Blick zu ihm. »Und was ist mit dir?«
    Er sagte ihr, er sei verwitwet, und sah, wie ihr Blick daraufhin abrupt Haltung annahm. Frauen hörten das nur allzugern – es ließ bei ihnen lauter kleine Räder und Walzen losklickern –, denn es bedeutete, daß er kein Scheidungskrüppel war wie die vielen anderen Kretins mit Haaren auf der Brust, sondern ein tragischer Fall, einfach tragisch. Sie fragte, wie es passiert war, troff geradezu vor Mitgefühl und morbider weiblicher Neugier, und er erzählte ihr die Geschichte von dem Jungen im Kombiwagen und der nassen Fahrbahn und daß diese Freiwilligen eigentlich immer einen anderen Studenten als Begleiter dabeihaben sollten, aber das war nichts für April, sie hatte abgewinkt – sie wollte ein authentisches Erlebnis, und das hatte sie ja dann auch gekriegt. Seine Kehle schnürte sich ein wenig zu, als er an diese Stelle kam, an die Ironie des Schicksals dabei, und die kumulative Wucht der Cocktails, der Gestank der Lagune, die Fremdheit des Ortes – Mexiko, es war sein erster Tag in Mexiko –, alles zusammen ließ ihn fast zusammenbrechen. »Ich war nicht bei ihr«, sagte er. »Darauf läuft es hinaus. Ich war nicht da.«
    Gina drückte seine Hand. »Du mußt sie sehr geliebt haben.«
    »Ja«, sagte er. »Hab ich.« Und er hatte sie wirklich geliebt, da war er sicher, auch wenn er jetzt Schwierigkeiten hatte, sie sich vorzustellen, ihr Bild trieb in seinem Bewußtsein davon, wie von einem steifen Wind weggeblasen.
    Eine weitere Runde Drinks wurde gebracht. Sie bestellten etwas zu essen, eine Atempause nach all dieser Intensität, mit der er seine Sache vorgetragen hatte, und dann erzählte ihm Gina ihre leidvolle Lebensgeschichte, von der Mutter, die Alkoholikerin war, und dem Bruder, dem man ins Gesicht geschossen hatte, weil ihn irgendwer irrtümlich für ein Bandenmitglied hielt, und davon, wie sie in der Highschool immer im Sport geglänzt hatte, aber nie etwas damit anfangen konnte, dann kamen zwei Jahre Provinz-College und eine Reihe geistabtötender Jobs, bis sie Gerry O’Connell aus der Anonymität gepflückt und in eine Kämpferin verwandelt hatte. »Ich will die Beste sein«, sagte sie. »Nummer eins – darunter geb ich’s nicht.«
    »Du bist schön«, sagte er.
    Sie sah ihn an. Ihr Drink war halb leer. »Ich weiß«, sagte sie.
    Als sie mit dem Essen fertig waren und noch ein paar After-Dinner-Drinks hinter sich hatten, fühlte

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