Schluss mit dem ewigen Aufschieben
sich vorgenommen, sich
nicht hereinlegen zu lassen. Aber noch wird seine Flucht durch den Köder bestimmt. Sich einen wirklich unabhängigen Fisch
vorzustellen, mag nicht leicht sein, aber es ist wohl einer, der sich durch den im Wasser am Ufersaum baumelnden Köder nicht
beunruhigen lässt, wenngleich er um seine Gefährlichkeit weiß.
Trotzige Aufschieber fürchten Autorität, aber sie verabscheuen sie auch und fordern sie durch Aufschieben zusätzlich heraus.
Sie sind generell pessimistisch, sehen das Leben als unfair an und haben dadurch einen, wie sie meinen, guten Grund zu rebellieren.
Generell kennen sie nur drei Reaktionen:
sofortigen Gehorsam, unter Abspaltung kritischer und selbstbehauptender Impulse. Dadurch werden sie von anderen als kooperativ
wahrgenommen, verlieren aber unter Umständen das Gefühl für ihre Freiheit und Individualität;
aktiven Widerstand, ein sofortiges Gegenan, womit andere sie als schwierig und unkooperativ erleben, sie selbst aber das Gefühl
großer individueller Freiheit haben – ein Eindruck, der eine Illusion darstellt, wie wir oben gesehen haben;
passiv-aggressiven Widerstand durch Aufschieben und Trödeln, mit dem die anderen auf kürzere Sicht in Ungewissheit über die
Kooperationsfähigkeit bleiben, aber auf lange Sicht den Eindruck bekommen, es mit einer raffinierten Person zu tun zu haben,
die man nicht zu fassen bekommt.
Die Überschätzung anderer, von denen sie sich abhängig fühlen, führt auch dazu, dass Menschen wie Helmut selten lautstark
protestieren, sondern auf der Oberfläche bestrebt sind, einen kooperativen und freundlichen Eindruck zu machen. Negative Gefühle
drücken sie indirekt, in passiv-aggressiver Weise aus, und entthronen damit die Autorität, die sie zu respektieren scheinen.
Was eignet sich dazu mehr als das Aufschieben?
Seine Frau hatte Helmut schon vor drei Wochen gebeten, Prospekte aus dem Reisebüro neben seiner Firma mitzubringen. Er hatte
es
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immer »vergessen«, sich dafür entschuldigt, sie vertröstet und in den kommenden Wochen tausend Gründe vorgebracht, warum er
anderes im Kopf hatte. Anstatt ihr zu sagen, dass sie sich selbst darum kümmern sollte, dass er keine Lust dazu habe und in
diesem Jahr ohnehin keine Fernreise machen möchte, hielt er sie mit seinen Entschuldigungen und Erklärungen hin. Sie fühlte
sich zunehmend getäuscht und behandelt, als seien ihre Wünsche für Helmut unwichtig – nichts traf weniger zu als das!
Aufschieber mit einem Ärger- oder Wutproblem tun sich besonders schwer damit, ihr Aufschieben als ein persönliches, selbstschädigendes
Verhalten anzusehen, weil ihre Selbstwahrnehmung als gerechtfertigter Rebell für ihre Selbsteinschätzung so wichtig ist. Das
Aufschieben vermittelt ihnen ein Gefühl der Macht, das sie sonst nicht bekommen können. Andere zu ärgerlichen Reaktionen zu
veranlassen, ist schließlich auch eine Form der Einflussnahme; mit anderen in aggressiven Auseinandersetzungen verstrickt
zu sein ist besser, als gar nicht wahrgenommen zu werden, so lauten die unbewussten Gleichungen.
Perfektionismus
Perfektionisten wie Beate wollen nicht
ihr Bestes
geben, sondern das
Beste aller Zeiten
. Sie setzten ihren Wert mit dem eines Arbeitsergebnisses, zum Beispiel der Güte des Marketingkonzepts, gleich. Ihre Maßstäbe
sind unrealistisch – schließlich ist nichts auf der Welt perfekt. Überall im Weltall dominiert das Chaos; Ordnung, gar perfekte
Ordnung, ist die Ausnahme. Sich um perfekte statt um sehr gute oder hervorragende Ergebnisse zu bemühen, legt den Keim für
eine dauernde Unzufriedenheit und endlose Überarbeitungen. Im Zuge dieser langwierigen Beschäftigung mit immer derselben Aufgabe
mit immer den gleichen überhöhten Ansprüchen entsteht natürlich Versagensangst, da die hyperkritische Wahrnehmung von perfektionistischen
Menschen ihnen immer wieder nur zeigt, dass sie eben nicht vollkommen waren, egal, wie gut sie ihre Sache auch gemacht haben.
Das nennen sie dann Versagen. Die Angst davor führt zu einer exzessiven Kontrolle auch noch der kleinsten Details. Das Aufschieben
ist eine |110| zwangsläufige Folge dieser Haltung, mit dem Vorteil, dass es Perfektionisten schützt: vor Erfolg einerseits, der sie bedroht,
weil er noch mehr perfektionistische Anforderungen mit sich bringt. Andererseits aber auch vor dem Verzicht auf die unrealistischen
Maßstäbe, denn das Aufschieben lässt perfekte
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