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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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andere noch
außerhalb. »Wer war das?«
    »Niemand weiß es. Ich bin hier, um den Mörder zu suchen.«
    »Polizei?«
    »Nicht ganz. Ich bin Privatdetektiv, verstehst du? Privater
Ermittler.«
    Er verstand nicht.
    »So wie Sherlock Holmes und Hercule Poirot. Kennst du nicht? Dann Philip Marlowe. Oder Miss
Marple.«
    »Miss
Marple?« Wie Miss Marple sah ich nicht gerade aus, da hatte er recht.
    »Du wirst doch einen von denen kennen, Junge. Detektive halt
… Schimanski und solche Typen.«
    Er nickte. »Schimanski. Polizei.«
    »Meinetwegen«, sagte ich ärgerlich, weil er so
begriffsstutzig war und ich, wie immer vor Ausländern, in einen infantilen Redestil
verfiel. »Also, noch mal von vorne. Mein Name ist Max. Max Koller. Und du, wie
heißt du?«
    »Leo.«
    »Wie weiter? Wohnst du hier im Haus?«
    »Leo Sluc. Unten, Erdgeschoss.«
    Aha. Ein Mitglied der Partei der Unaussprechlichen. Während
er sich vollends anzog, blieb ich an der Tür stehen, um jeden Gedanken an
Flucht im Keim zu ersticken.
    »Aus welchem Land kommst du?«
    »Makedonija.«
    »U nd wie lange bist du
schon hier?«
    »Zwei Jahre.«
    »Gut. Jetzt hör mal zu,
Leo. Ich bin nicht von der Polizei, aber ich will herausfinden, wer Annette
umgebracht hat. Deshalb werde ich dir einige Fragen stellen. Nur Fragen, sonst
nichts. Du wirst keinen Ärger bekommen. Keine Probleme, verstehst du? Du darfst
mich auch fragen, wenn du etwas wissen willst, danach verschwinde ich, und du
gehst wieder nach unten. Okay?«
    Er nickte.
    Ich begann meine Fragestunde. Leo, nun vollständig
angekleidet, setzte sich an den Bettrand und lauschte gottergeben. Vor zwei
Jahren war er mit seiner Mutter aus Mazedonien nach Heidelberg gekommen, und
seit einem Jahr wohnten sie in der Mittermaierstraße. Ungefähr genauso lange
kannte er Annette Nierzwa.
    »Wie oft bist du schon hier gewesen?«
    »Nicht oft«, sagte er.
    »Wie oft? Dreimal, viermal?«
    Er nickte.
    »War das deine Idee oder ihre?«
    »Ihre.«
    »Wie alt bist du?«
    »18«, sagte er schnell.
    »Dann bist du älter als ich«, grinste ich. »Lassen wir das.
Mich interessiert nur, was Annette angeht. Hat sie dich bezahlt, damit du zu
ihr kommst?«
    »Nein«, sagte er noch schneller. »Kein Geld. Gar nix.«
    Kein Geld, so, so. Manchmal überholte sich der Junge beim
Antworten selbst. »Als du vorhin kamst«, fuhr ich fort, »glaubtest du, sie sei
zu Hause, nicht wahr? Deshalb hast du dich nicht gewundert, dass Licht brannte.
Aber dann war keiner in der Wohnung. Was hast du da gedacht?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Vielleicht ist sie
nur kurz raus, in den Hof oder in den Keller. Keine Ahnung.«
    »Hattet ihr eine Verabredung?«
    »Ja. Jeden Montag.«
    »Und du wusstest nichts von dem Mord, was? Liest du keine
Zeitung?«
    »Nein.«
    »Und das Siegel an der Tür?«
    »Was ist Siegel?«
    »Das Polizeisiegel. Hast du das nicht gesehen?«
    Er blickte mich fragend an.
    »Okay, kein Siegel. Was anderes: Hat Annette jemals erzählt,
mit wem sie zusammen war?«
    »Ja«, antwortete er. »Mit Bernd.«
    »Aha. Kennst du diesen Bernd?«
    »Nein.«
    »Nie gesehen?«
    »Nein.«
    »Aber sie sagte dir, sie sei mit ihm zusammen. Wann hat sie
das gesagt?«
    Er überlegte. »Ich weiß nicht. Oft.« Er zuckte die Achseln.
    »Und wusste Bernd von dir? Beziehungsweise weiß er es?«
    »Nein.«
    Das konnte ich mir denken. Nagels Liberalität ging sicher
nicht so weit, dass er seiner Freundin einen kleinen, haarlosen Spielgefährten
gegönnt hätte. Oder hatten sie sich getrennt, weil er dahintergekommen war?
Annette Nierzwa jedenfalls war eine lebenslustige Frau gewesen, in vielerlei
Hinsicht. Montags Mazedonien, den Rest der Woche Heidelberger Stadttheater. Von
Nagel ließ sie sich ausführen, in Leos Liebesdienste investierte sie. Auch wenn
das der clevere Jungunternehmer bestritt. Wollte seine Nebeneinkünfte wohl
nicht versteuern.
    Viel mehr bekam ich nicht aus ihm heraus. Am vergangenen
Montag hatte er zum letzten Mal mit Annette gesprochen. Er konnte mir daher
auch nicht sagen, ob die Frau in den Tagen vor ihrem Tod anders als sonst
gewesen war, nervös oder misstrauisch. Leo wusste nicht einmal, dass sie als
Garderobiere im Theater arbeitete; er hatte das Stichwort Kleider aufgeschnappt
und vermutet, dass ihr ein Geschäft gehörte. Ich nannte ihm die Namen
sämtlicher Männer, mit denen Annette Kontakt gehabt hatte, aber er schüttelte
nur den Kopf. Nie gehört. Keine Ahnung.
    Eine

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