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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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herein und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz.
    Wir musterten uns. Fischer hatte in der Tat eine ungesunde
Gesichtsfarbe, außerdem aufgedunsene Wangen, schwere Tränensäcke und einen
trüben Blick. Ausgeschlafen sah er nicht aus. Präsenile Bettflucht, oder wie
man das nennt.
    »Guten Morgen«, sagte er.
    »Morgen.«
    Fischer nickte. Er legte beide Hände auf den Schreibtisch und
betrachtete sie. Dann juckte seine Nase, er wischte kurz darüber, bevor er ein
Stofftaschentuch umständlich aus seiner Hosentasche zog, um sich den Zinken zu
putzen. Ebenso umständlich. Als das Schnauben verhallt war, faltete er das Tuch
langsam zusammen.
    »War denn …« Er räusperte sich. »War denn noch genug Benzin
im Tank?«
    »Yep«, antwortete der Rottweiler hinter mir.
    »Gut.«
    Fischer schwieg. Er lehnte sich ein wenig nach vorne und
betrachtete mich. Dabei zielte sein Blick an meinem Gesicht vorbei, auf meine
Haare, meinen Hals, den Kragen meiner Jacke. Er war trübe und unstet, dieser
Blick, vom Zucken der Augenwinkel begleitet. Das Kaugeräusch des Blonden wurde
stärker.
    »So, so«, murmelte Fischer vor sich hin. Irgendwas war mit
seiner Nase. Schon wieder wischte er über sie, kratzte an ihr herum, schnaubte
leicht. Gleich würde er sein Taschentuch ziehen.
    Tat er aber nicht. Er kratzte sich bloß. Warf mir einen
langen, nachdenklichen Blick zu, dann stand er auf und ging hinaus, durch
dieselbe Tür wie vorhin.
    Stille kehrte ein, nur gestört durch die leisen Putzgeräusche
hinter mir und das Schmatzen von links. Draußen im Hof parkten Autos, die Palme
war immer noch die Palme von vorhin, auf dem Schreibtisch stand das Namensschild,
das auf diesen Schreibtisch gehörte, und der Raum war gut geheizt.
    Aber ich, Max Koller, ich hätte all diesen Idioten am
liebsten die Fresse poliert.
    Gehässig grinste ich den Kampfhund an. Genau das wollten sie:
Sie wollten, dass ich explodierte, dass ich die Fassung verlöre, damit sie
einen Vorwand hätten, mir was anzuhängen. Sie sollten ihn nicht bekommen. Was
für eine Langzeitwirkung so ein kleiner Scherz auf der Theatertoilette doch
hatte.
    »Ist der Getränkeautomat defekt?«, fragte ich. »Oder warum
dauert es mit dem Kaffee so lange?«
    Schweigen. Ich hatte keine Antwort erwartet. Aber es tat gut,
die eigene Stimme zu hören. Nach einer Minute wechselte ich die Stellung der
übereinandergeschlagenen Beine, ich tat es bedächtig und schaute mir dabei zu;
nach einer weiteren Minute zog ich meinen Geldbeutel aus der Hosentasche und
kontrollierte, ob ich mittlerweile einen slowenischen Euro ergattert hatte.
    So hangelte ich mich von Minute zu Minute.
    Endlich ging die Nebentür wieder auf. Eine dicke Akte unter
dem Arm, trat Fischer ein, nahm Platz, faltete die Hände und blickte mich offen
an. Das Spielchen war beendet.
    »Mein Name ist Fischer«, begann er. »Die Herren Greiner und
Sorgwitz kennen Sie ja bereits.«
    »Wer ist wer von beiden?«
    »Kommissar Greiner« – er zeigte auf den Rottweiler – »und
Kommissar Sorgwitz« – seine Hand wies zum Fenster.
    Ich nickte beiden zu. »Angenehm. Schöne Namen.«
    »Sie sind Opernfan, Herr Koller?«
    »Von Zeit zu Zeit. Kommt drauf an, was läuft.«
    »Beziehungsweise was während einer Aufführung geschieht,
nicht wahr? Egal. Sehen Sie, Herr Koller, meine beiden Mitarbeiter …« Er brach
ab, das Gesicht in schmerzliche Falten gelegt.
    »Ja?«
    »Die Herren Greiner und Sorgwitz sind der Meinung …«
Irgendetwas stimmte mit seiner Nase nicht; warum fingerte er sonst die ganze
Zeit an ihr herum? »Die beiden Herren sind der Meinung, dass … kurz und gut,
sie sind anderer Meinung als ich.«
    Ich grinste. Für diesen Satz hatte der Mann eine geschlagene
Viertelstunde, mehrere Anläufe sowie ein Päuschen im Nebenraum benötigt. Von
den Hautschichten, die er seiner Nase abgerungen hatte, gar nicht zu reden. Und
was wollte er mir mit diesem grandiosen Satz sagen?
    »Es geht«, fuhr er fort, »um unsere Einstellung gegenüber der
privaten Konkurrenz. Gegenüber Ihnen. Sie können sich vorstellen, dass es in
dieser Hinsicht unterschiedliche Lösungsansätze gibt.«
    Ich schaute nach links; der Kampfhund verzog keine Miene. Ich
warf einen Blick über die Schulter; der Rottweiler lächelte versonnen vor sich
hin.
    »In diesem Haus kursieren verschiedene Theorien. Vom
wohlwollenden Gewährenlassen bis hin zu entschiedener Ablehnung. Ich sage es
ungern, aber die Herren Greiner und

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