Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:
gelber, als sie ohnehin schon war, er fingerte an seinen
Akten herum, bellte kurze Fragen in den Hörer und legte schließlich fluchend
auf. Mit der rechten Hand rieb er sich über die Augen.
    »Was ist passiert?«, fragte ich unschuldig.
    »Es gibt Arbeit«, knurrte er und erhob sich. »Aber nicht für
Sie. Ich rufe Ihnen einen Wagen, der Sie
nach Hause bringt.«
    »Worum geht es? Hat es
mit unserem Fall zu tun?«
    Er nickte, nahm einen
Mantel vom Kleiderständer und öffnete die Tür zum Nebenraum.
    »Meine Herren«, blaffte er. »Leichenfund in Handschuhsheim.«
    Stühlerücken nebenan.
    »Herr Fischer«, sagte ich freundlich. »Sie haben mir
Kooperation angeboten, richtig?«
    »Und?« Er war schon auf dem Weg zur Tür.
    »Dann liegt es in der Natur dieser Abmachung, mich
mitzunehmen. Sie wissen schon, Eindrücke teilen, Erfahrungen austauschen.«
    »Später. Ich rufe Sie an.« Er fasste sich an den Kopf und
eilte zum Kleiderständer zurück, um sich einen altmodischen Hut aufzusetzen.
    »Was soll das, Herr Fischer? Sie wissen, dass ich mich nicht abwimmeln
lasse. Soll ich mit einem Taxi hinter Ihnen herjagen? Soll ich Ihnen sämtliche
Reporter der Rhein-Neckar-Region auf den Hals hetzen? Wo unsere Zusammenarbeit
gerade einen so vielversprechenden Anfang …«
    »Halten Sies Maul und kommen Sie mit«, herrschte er mich an.
»Wenn Sie unsere Arbeit behindern, kriegen Sie Ärger. Ist das klar?«
    »Klar«, sagte ich und hielt ihm die Tür auf. »Wieder eine
weibliche Leiche?«
    »Ein Mann. Ihre Frau von Wonnegut wird sich einen neuen
Liebling suchen müssen.«

Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

12
    Während der Fahrt nach Handschuhsheim herrschte
Schweigen. Ein massiger Polizist mit Schnauzbart spielte den Chauffeur, Fischer
und ich saßen im Fond und hingen unseren eigenen Gedanken nach. Greiner und
Sorgwitz folgten in einem zweiten Fahrzeug.
    Ein einziges Mal wandte sich der Kommissar mir zu und fragte:
»Gehen Sie öfter in die Oper?«
    »Nicht oft. Eher selten.«
    »Früher ging ich regelmäßig. Als ich noch Zeit hatte. Wissen
Sie, was das Verrückte an der ganzen Geschichte ist? Dass jemand eine Frau
erwürgt, während ein paar Meter weiter Musik gemacht wird. Ein Mord und Mozart
im selben Haus, das übersteigt doch jede Vorstellungskraft. Auch wenn es das
Nachbargebäude war.« Gedankenverloren kratzte er sich an der Nase. »Böse
Menschen kennen keine Lieder, heißt es nicht so?« Er seufzte, blickte aus dem
Fenster, und ich verzichtete auf einen Antwortversuch.
    Barth-Hufelangs Wohnung lag im Zentrum von Handschuhsheim, in
Sichtweite der Tiefburg. Ein dreistöckiger Altbau, frisch saniert, die Fassade
lindgrün. Im Parterre residierte ein Immobilienbüro, das erst um zehn Uhr
öffnete. Ein junger Streifenpolizist hielt uns die Tür auf.
    »Zweiter Stock«, grinste er. »Immer dem Geflenne nach.«
    Das Treppenhaus hell und geräumig, auf den Stufen ein breiter
Läufer, der das Geräusch unserer Schritte schluckte. Das ganze Haus war auf
Stille, auf Zurückhaltung ausgelegt, nur die Frau in der obersten Etage hielt
sich nicht daran. Ihr auf- und abschwellendes Gejammer, ein Klagegesang
orientalischer Prägung, begleitete unseren Aufstieg. Wir sahen sie vor
Barth-Hufelangs Wohnung stehen, das heißt: sie stand nicht, sondern schwankte
hin und her, hielt sich abwechselnd am Türrahmen und an einem weiteren
Polizisten fest. Eine 40-jährige Frau in Putzklamotten, mit hellen Strähnen im
schwarzen Haar, das Gesicht vom Schluchzen verzerrt.
    »Sie ist Türkin«, sagte der Polizist entschuldigend. »Sie hat
ihn gefunden, aber man versteht kein Wort. Sie kann nur Türkisch.«
    »Wir brauchen einen Dolmetscher«, beschied Fischer. »Und
einen Arzt. Der soll ihr was zur Beruhigung geben. Und Sie«, blaffte er den
Uniformierten an, »bringen der Frau endlich einen Stuhl. Aber aus einer anderen
Wohnung.« Der Polizist nickte betreten.
    In der Tür erschien ein Mitarbeiter der Kriminaltechnik.
Grußlos verteilte er Plastiküberschuhe und Handschuhe aus dünnem Latex. Als er
mich sah, zögerte er.
    »Der auch?«
    »Der nicht«, sagte Kommissar Greiner.
    »Der doch«, sagte ich. »Schuhgröße 44, wenns recht ist.«
    Hauptkommissar Fischer zog mich beiseite. »Kleiner Rat, Herr
Koller«, belehrte er mich, wie man einen ungehorsamen Schüler belehrt. »Seien
Sie nett zu meinen Mitarbeitern. Dann bekommen Sie auch keine Schwierigkeiten.

Weitere Kostenlose Bücher