Schlussakt
Vergessen Sies.«
»Herzlichen Dank für die Belehrung«, fauchte Fischer. »Wie
gut, dass ich Sie mitgenommen habe. Und jetzt lassen Sie uns unsere Arbeit machen.«
»Schon gut.« Ich hob beschwichtigend meine latexumhüllten
Hände, zog mich ein paar Schritte zurück und rumpelte mit dem Rottweiler
zusammen.
»Ach, wie so trügerisch«, summte Greiner und schob mich aus
dem Weg.
»Auch ein Opernfreund?«, lächelte ich zurück. Dass ich ihm
ausweichen musste, war mir ganz recht, denn so gelangte ich ohne mein Zutun in
den hinteren Bereich von Barth-Hufelangs Arbeitszimmer. Vor einer breiten
Bücherwand erstreckte sich ein schwarz glänzender Bechstein-Flügel, in den das
gestutzte Ding aus dem Stadttheater zweimal hineingepasst hätte. Fast der
gesamte Parkettboden war mit dicken Teppichen bedeckt, vor den Fenstern hingen
akkurat angeordnete Gardinen. An den Wänden naive Regionalkunst, davor
sorgfältig gepflegtes Grünzeug. Eine frei stehende Stereoanlage, schlanke
Boxen, Büsten von Komponisten, ein einsamer Korbsessel. Schick, aber steril.
Alles war ordentlich, aufgeräumt, nicht einmal eine halb geleerte Flasche Wein
stand herum. Von einer angebissenen Pizza oder einem aufgeschlagenen Schmöker
ganz zu schweigen. Zu Hause dürfte sich Barth-Hufelang hier kaum gefühlt haben.
Ein Musiker auf dem Sprung nach Berlin, abgestellt in einer Handschuhsheimer
Dirigentensuite mit anatolischem Zimmerservice. Hier hatte er die Zeit bis zum
nächsten Flug nach Berlin mit Klavierspielen totgeschlagen. Und nun jemand ihn.
»Chef«, rief Kommissar Sorgwitz durch die Wohnung. »Der
Kollege vom Eingang möchte mit Ihnen sprechen.«
»Später«, winkte Fischer ab. »Ist der Dolmetscher da?«
»Noch nicht.«
Fischer schwieg und beugte sich über den Toten.
Barth-Hufelangs feiste Wangen hingen grau und blutleer herunter, aber auch das
Gesicht des Kommissars kündete nicht von strotzender Gesundheit. Und von
Zufriedenheit mit seiner Arbeit erst recht nicht. Ruckartig richtete er sich
auf.
»Kommen Sie mal her«, rief er und nickte in meine Richtung.
»Ich?«, gab ich zurück.
»Steht da vielleicht sonst noch jemand dumm rum und bohrt in
der Nase? Schauen Sie sich das an.« Folgsam kehrte ich an den Schreibtisch
zurück. Fischer wies auf die blutverschmierte Partitur. »Kennen Sie das Stück?«
»Die Sinfonie des Grauens«, lachte ein Kriminaltechniker aus
dem Hintergrund. Fischer warf ihm einen Blick zu, als wolle er ihn in seiner
albernen Plastikhülle einschweißen.
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Wofür halten Sie mich?«
»Für einen Opernbesucher«, antwortete Fischer missmutig.
»Einen Musikkenner.«
»Einen sporadischen Opernbesucher und Musikliebhaber. Nicht
Kenner.«
»Und bei einem Ihrer sporadischen Opernbesuche liegt
zufälligerweise eine Leiche im Zimmer eines Ihrer Freunde.«
»Nagel ist nicht mein Freund«, sagte ich ruhig. Hoffentlich
hatte Fischer in seinem Pastillensortiment auch etwas gegen schlechte Laune.
»Warum verteidigen Sie ihn dann mit Händen und Füßen? Sie
kommen hier rein, und das Erste, was Sie sagen, ist: Bernd Nagel kann es nicht
gewesen sein.«
»Weil es das Erste war, was mir durch den Kopf ging. Sie
haben Nagel selbst erlebt. Stellen Sie sich vor, er wäre für diesen
Gewaltexzess verantwortlich. Noch im Zimmer hätte er sich dreimal übergeben und
sich anschließend der Polizei gestellt. Das hier war ein anderer.«
»Dafür, dass Nagel nicht Ihr Freund ist, kennen Sie ihn
verdammt gut.«
Ich zuckte die Achseln. »Sie wollten doch, dass wir unsere
Eindrücke austauschen. Mehr tue ich nicht.«
»Da bin ich mir inzwischen nicht mehr so sicher. Samstagabend
tauchen Sie am Tatort auf, sonntags schnüffeln Sie ebenfalls dort herum. Wo Sie
sich gestern herumgetrieben haben, will ich gar nicht wissen, und heute
erzählen Sie mir die ganze Zeit ungefragt, was für ein Unschuldslamm Bernd
Nagel ist. Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie für diese Frau von Wonnegut
arbeiten. Ihr Kumpel Covet hat Sie beauftragt, unsere Ermittlungen zu stören.
Spuren verwischen, Motive verschleiern: Darum geht es doch, Herr Koller.«
»Haben Sie mich deshalb aus den Federn geholt? Um mir das zu
sagen?«
Bevor er mir antworten konnte, stürmte der Rottweiler ins
Zimmer.
»Das ist der Abschuss, Chef«, rief Greiner. »Dieses ekelhafte
Schwein!« Dann sah er mich neben Fischer stehen und zögerte. Zu spät. Seine
Erregung hatte ihn weiter getragen, als seine
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