Schmeckts noch
sind Milchkühe) in Deutschland enthornt – ein Prozess, der bei Kälbern bis zum Alter von sechs Wochen ohne Betäubung erlaubt ist. Die gängige Praxis der Verstümmelung ist schmerzhaft: Das Horn wird mit einer säurehaltigen Flüssigkeit aus einem Ätzstift oder mit einer Paste eingerieben; durch die Säure wird das Gewebe zerstört, und das Horn fällt später ab. Die zweite Methode ist nicht weniger brutal: Mit einem Elektrobrenner oder Lötkolben wird das Gewebe über dem Knochen einfach weggebrannt. Die Tiere schlagen mit dem Kopf, bäumen sich auf, laufen rückwärts oder stehen apathisch im Stall und rühren sich nicht. In der Schweiz ist die Betäubung der Tiere bei der Enthornung vorgeschrieben.
Um überhaupt Milch geben zu können, müssen Kühe kalben. Damit das Kalb dem Menschen die Milch jedoch nicht »wegtrinkt«, wird es kurz nach der Geburt von der Mutter entfernt. Dann ist das Geschrei im Kuhstall groß, denn zwischen Kuh und Kalb herrscht eine große Tierliebe. Der Körper der Kuh vibriert vor Erregung: Sie will ihr Kalb zurück. Das Geschrei dauert stundenlang. Die Kuh stampft und stöhnt und schreit oft bis zur Erschöpfung. Auch das Kalb jammert bitterlich. Bis zu 15mal täglich will es bei der Mutter saugen. Statt dessen wird es mit Milchaustauschern aus dem Eimer ernährt. Eine Art Plastikschnuller ersetzt die warme Zitze des Muttertiers.
Für Milchbauern sind Kälber ein überflüssiges Nebenprodukt, das sich nicht profitträchtig vermarkten lässt. Einfach großziehen und dann aufessen geht nämlich nicht, denn wie bei Hühnern sind auch Rinder in zwei Zuchtlinien getrennt: Es gibt Rinderrassen zur Fleischproduktion und Rinderrassen zur Milcherzeugung.Und der Konsument will nicht so viel Kalbfleisch essen, wie landauf, landab heranwächst. Sein Appetit hinkt dem Überangebot gewaltig hinterher.
Von Ur-Kühen und einer Genrettungsaktion
Während vor gut 100 Jahren noch 80 verschiedene Rinderrassen überall auf den Weiden in Deutschland gegrast haben, gehören heute weit über 90 Prozent der Rinder lediglich vier Rassen an. Die meisten Industrierinder zählen zur Rasse der Schwarzbunten. Sie heißen in der Fachsprache »Holstein Friesian« und werden schlicht »HF« abgekürzt.
Die Vorfahren dieser Turbokühe verschwinden immer mehr von den Weiden, so auch das Altdeutsche Schwarzbunte Niederungsrind. Es lieferte nicht nur Milch, sondern auch Fleisch. Mit der Auswanderungswelle Ende des 19. Jahrhunderts reiste die deutsche Ur-Kuh nach Amerika und wurde dort zur reinen Milchkuh hochgezüchtet. Bei ihrer Rückkehr um 1965 war sie zur Turbokuh mutiert. Heute ist das Altdeutsche Schwarzbunte Niederungsrind eine Rarität und vom Aussterben bedroht. Die Fachleute sprechen in solchen Fällen von »Verdrängungszucht«, das heißt, ursprünglichen Rassen werden die Gene von industriell gezüchteten Hochleistungsrassen eingekreuzt. Damit wird der Genpool der alten immer weiter verwässert, bis sie als reine Rasse nicht mehr existieren.
In Schweden ist man Mitte 2006 zur Rettung einer Rinderrasse sogar so weit gegangen, die Gene der letzten »gehörnten Värmlandkuh« für die Nachwelt zu erhalten, weil die uralte schwedische Rasse sonst mit Runa, einer 22 Jahre alten Kuh, ausgestorben wäre. Runa war die letzte ihrer Art, aber vielleicht können ihre Eier ja eines Tages künstlich befruchtet werden. PerGnadenschuss wurde das Tier von Experten fachmännisch erlegt. Dann entnahm man dem Rindvieh die Eierstöcke und Gewebeteile. Gehörnte Värmlandrinder lebten genetisch isoliert über Jahrhunderte auf den Wiesen der Region Värmland in Mittelschweden. In Schweden träumt man davon, die Rasse durch Klonen wiederaufleben zu lassen. Fleisch und Milch der schwarz-weiß gescheckten Värmländer galten als besonders delikat.
Zu den extrem gefährdeten deutschen Rassen gehört das Angler Rind. Die rote Milchkuh war einst als norddeutsche Vorzeigekuh weit über die Landesgrenzen von Schleswig-Holstein hinaus bekannt. Heute ist der Bestand auf rund 350 Tiere geschrumpft. Das Rind ist robust, genügsam und passt sich perfekt an extreme Klimabedingungen an. Die Rasse wurde vor allem wegen der wertvollen Inhaltsstoffe ihrer Milch geschätzt.
Milch ist nicht gleich Milch
Es ist erstaunlich, wie deutlich die Qualität der Milch von der Fütterung und Haltung der Tiere abhängig ist, denn ob eine Kuh auf der Alm Kräuter und Klee frisst oder im Stall Gras- und Maissilage verdauen muss, macht
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