Schmeckt's noch?
zehn Jahren hatten Milchbauern noch ein paar hundert Kühe, heute haben sie ein paar tausend und automatische Melkstände, die rund um die Uhr in Betrieb sind. Rindermastbetriebe hat er besucht, die 35.000 Mastrinder mithilfe von 35 Mitarbeitern auf 20 bis 30 Hektar halten. Die Mastrinder werden in Koppeln gehalten. Zwischen den Koppeln sind Wege für LKWs, die vom zur Farm gehörenden Futtermittelwerk das Futter — Maissilage, Grassilage, Raufutter und Kraftfutter — zu den Tieren bringen. Die Entkoppelung der Viehhaltung von Grund und Boden wird auf die Spitze getrieben.
Nicht das, was auf dem Bauernhof wächst, ist die Grundlage der Tierhaltung, sondern die Kapazitäten des Futtermittelwerkes sind das Maß für das Wirtschaften. Tiere sind reine Produktionsgegenstände — „Biomaschinen“. Alle geraten sie unter die Räder der Rationalisierung und Kapitalisierung.
Der Bauer, einst Besitzer des Hofes, hat ihn längst an eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Chicago verloren. Er ist nur noch Verwalter des Investments. Der ganze Betrieb ist auf maximale Ausbeutung ausgelegt. Auf Ausbeutung der Tiere, der Ressourcen und letztendlich des Menschen. Dem maximalen Profit ist jeder einzelne Bereich rücksichtslos untergeordnet.
Um diesen Betrieb zu finden, brauchte Markus weder Kompass noch Hinweisschilder. „Ich habe nur das Fenster im Auto geöffnet und bin dem penetranten Gestank, der sich weit verbreitet, nachgefahren. Lange war nichts zu sehen, aber dafür umso intensiver zu riechen. Der Betrieb war nicht zu verfehlen.“
Ist das die Zukunft der Landwirtschaft? Wird es solche Betriebe auch bei uns in Europa bald geben? Markus meint, wenn man alleine die Entwicklung des letzten Jahrzehnts in der Landwirtschaft betrachtet, dass auch in Europa ein Teil der Bauern diesen Weg gehen wird.
Dieses Modell, Lebensmittel für uns zu erzeugen, beruht auf einer völligen Ablösung von Natur und Mensch. Die Restbestände der Natur, die auch Kapitalgesellschaften noch nicht gänzlich ausschalten können, stellen nur noch eine Folie dar, auf der die Kapitalinteressen durchgesetzt werden. Der Produktionsgegenstand Natur, der Produktionsgegenstand Tier sind risikobehaftete Teile einer Kette, die man leider noch nicht gänzlich eliminieren kann, um den Produktionsgegenstand Lebensmittel so kostengünstig und so profitmehrend wie möglich zu fertigen.
Wo bleiben wir und unsere Interessen?
Die Hybris der Rationalisierung in der Landwirtschaft und die Technisierung der Lebensmittel von heute bescheren uns nur noch technische Nahrungsmittel. Doch technische Nahrungsmittel nähren uns nicht mehr. Sie schwemmen uns nur noch auf, die vielen dickleibigen Menschen in den USA geben ein eindrückliches Beispiel.
Diese technologischen Prozesse sind in ihrer Intention destruktiv, und für Destruktivität sollte in unserer Ernährung kein Platz sein. Sie zerstören die Natur und mithin unsere Lebensgrundlage. Wir verlieren durch die Vereinnahmung dieser technischen Produkte den Zugang, unsere Nähe zur Natur. So gerät das Wissen um die Natur als Grundlage unseres physischen Seins in Vergessenheit. Wir treiben die Natur in uns aus, wir unterwerfen unsere Lebenswelt der technischen Beherrschbarkeit. Am Ende werden wir nicht nur die Natur aus unserem Leben gebannt haben, wir werden uns selbst auslöschen.
Die erste Stufe des Auslöschungsprozesses ist bereits beschritten. Die haltlose Tiermästung in Europa ermöglicht erst die unfassbare Ausdehnung der Sojabohnen-Produktion, zumeist gentechnisch veränderter Provenienz, in Südamerika. Der Urwald — auch unsere grüne Lunge — wird rücksichtslos niedergebrannt, eingeäschert, und viele indogene Völker, deren Lebensgrundlage der Urwald ist, sind bedroht, mehr noch — werden ausgerottet. Doch um unsere Tiere zu extremen Leistungen, die in Tagesgewichtszunahmen gerechnet werden, zu bringen, nehmen wir viel in Kauf. All diese Vorgänge sind nur möglich, weil wir Konsumenten nicht nur mitspielen, sondern ganz bewusst die Produktionsrealität unserer Lebensmittel ausblenden.
Für Martin Heidegger war das schon in den 1950ern zu erahnen: „Unterwerfen wir Mensch und Natur unter den Schematismus der Rationalität, die allem ihre Form aufprägt und sie dadurch vergewaltigt, verwandelt sich das ,Eigenwüchsige‘ der natürlichen Dinge in ein hergestelltes Zeug.“
Intakte Lebensmittel werden durch diese Unterwerfungen, Vergewaltigungen zu Lebensmittel-Imitaten oder, wie Helmut
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