Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road
Es war nicht, weil er glaubte, Danny könne einen Unfall bauen. Das würde er nie, er konnte es gar nicht.
Der Streifenwagen jagte hinter ihnen her. Patricia stemmte die Füße gegen das Armaturenbrett und unterdrückte einen Angstschrei. Danny drehte sich um, sah Flynn an und grinste zum ersten Mal an diesem Tag. Endlich hatte er seinen Spaß.
Patricia brüllte, er solle anhalten und an die Seite fahren. Sie schlug auf seinen Arm ein, während sie an anderen Autos vorbeirasten, in Seitenstraßen bogen und über Rasenflächen schlitterten. Dannys Lächeln war von trostloser Schlichtheit. Es war das Lächeln ihrer Mutter. Und das ihres Vaters.
Emma streckte die Hand aus und packte Flynn am Ellbogen. Ihr Gesicht war ausdruckslos. Sie starrte zwischen den Vordersitzen hindurch und sah die Welt durch die Windschutzscheibe an ihnen vorbeiflitzen. Danny drehte sich immer wieder nach Flynn um. Flynn glaubte, etwas sagen zu müssen, aber er fand seine
Stimme nicht, fand die Worte nicht, die ihm vielleicht dabei geholfen hätten.
Das alles kam ihm vor, als hätten sie es schon häufig durchgespielt. Flynn fühlte die weiten Kurven kommen, bevor sie tatsächlich da waren. Er wusste, wann sie links oder rechts abbogen und wann Danny einfach nur Vollgas gab.
Ein zweiter Streifenwagen stieß dazu. Dann noch einer. Jedes Mal, wenn eine neue Sirene anging, kam ein tiefes Lachen aus Dannys Brust. Überall blinkten Lichter. Die Polizei versuchte, den Wagen zu rammen, bis einer der Fahrer Emma und Flynn auf dem Rücksitz entdeckte. Flynns Blick wanderte über die Gesichter der Polizisten. Er fand, dass sie alle sehr besorgt aussahen, aber auch wütend genug, um drastische Maßnahmen zu ergreifen. Danny lachte leise weiter, während Patricia ihn anflehte, langsamer zu fahren, anzuhalten und doch an das Baby zu denken. Jedes Mal, wenn sie das Wort Baby aussprach, zog der Wagen mit quietschenden Reifen zur Seite.
Flynn fragte sich, wie das Baby wohl aussehen würde. Mandeläugig, mit einem verborgenen Temperament, das auf seltsame, aber denkwürdige Weise zum Ausdruck kommen würde. Flynn versuchte, Patricia zu beruhigen, indem er die Hand um ihren Nacken legte. Sie machte einen Satz nach vorn und schrie kurz auf. Es klang, als würde sie erstochen.
Flynn lehnte sich zurück und sah wieder aus dem Fenster. Sie waren am Meer. Er sah das Gras und die Zäune vorbeiziehen, den Sand über die Straße fegen. Hinter ihnen waren jetzt vier Polizeiwagen, die sie zwar
nicht mehr direkt in die Zange nahmen, aber nicht mehr als zwei Wagenlängen hinter ihnen blieben. Es war ein ziemliches Gedränge.
Er wusste, dass Danny noch einiges vorhatte. Dass er eigentlich noch gar nichts gemacht hatte.
Emma sah ihn an, als wollte sie fragen: Was ist hier los?
»Ich weiß es nicht«, sagte Flynn, obwohl er die sinnlose Spannung nachempfinden konnte, die in seinem Bruder herrschte und die sich im Wagen ausgebreitet hatte. Er kannte sie von sich selbst und auch von ihrem Vater, der noch immer hustete. Flynn hielt sich die Ohren zu. Die Sirenen konnten ihn nicht übertönen. Nichts konnte das. Er wollte nach ihm rufen. Am liebsten hätte er seinen Sarg ausgegraben. Er hoffte, Danny würde ins Meer fahren. Er wollte zusammen mit ihm ins Wasser gehen.
Es liegt eine Sinnlosigkeit darin, keinen Feind zu haben. Danny hasste die Bullen nicht, er war nicht einmal sauer auf sie. Seine Einsamkeit war so groß geworden, dass ihm so etwas wie Schicksal egal war. Er konnte die Seufzer ihrer Mutter nicht länger ertragen. Seine eigenen zweitklassigen Verfehlungen hatten seine Fähigkeit zu vertrauen überstiegen. Momente der Reue gab es häufig, sie waren aber nur oberflächlich. Seine Mittelmäßigkeit hatte ihn wahnsinnig gemacht.
Danny entdeckte ein Grundstück, auf dem Rasensprenger liefen. Lachend jagte er den Wagen auf den Bordstein und schaltete einen Gang runter, um gleich darauf den Rasen aufzureißen und alles voller Schlamm zu spritzen. Die Polizei blieb ihm dicht auf den Fersen.
Es war nicht mal so, dass Danny die Reichen hasste, es machte ihm einfach Spaß.
Aus den Megafonen plärrten Befehle. Sie hatten sein Nummernschild überprüft und wussten, dass er das war, was man einen Speed Demon nannte. Alle brüllten durcheinander, sodass der Himmel von der donnernden Zornesstimme Gottes erfüllt war.
Danny gab ein bösartiges Kichern von sich. Es sagte mehr aus als alles andere an diesem Tag. Er hatte eine Entscheidung getroffen, und Flynn, dem dieses
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