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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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gezückten Waffen auf sie zugelaufen, aber Flynn schüttelte den Kopf. Dann drehte er sich um und rannte zurück zum Charger. Es war ein Moment der Schwäche. Danny würde nicht unbedingt stolz auf ihn sein, aber Flynn konnte nicht anders. Er rief den Namen seines Bruders und sah, wie Patricia sich umdrehte und ihn durch die Heckscheibe anlächelte.
    Danny hatte sie alle reingelegt. Er kannte die Gegend sehr genau. Wahrscheinlich war er häufig hier gewesen, um mit Patricia und einigen anderen Mädchen am Strand in der untergehenden Sonne oder im Mondlicht Liebe zu machen. Vor den Silhouetten der Villen, die an den silbernen Himmel kratzten.
    Er trat aufs Gaspedal und zog den Wagen links rüber auf einen Zaun zu. Er wusste, dass Autofahren mehr war als nur Geschwindigkeit und Pferdestärken, man musste die Winkel kennen, die Vektoren verstehen, Bögen beschreiben. Die Polizei kannte sich nicht so gut aus wie Danny. Sie standen kurz vor dem Ende der Straße, aber eben nicht ganz am Ende. Danny stieß gegen das große Tor in der Mitte des Zauns. Er hatte etwa zwanzig Meilen drauf, gerade genug, damit das Schloss aufsprang. Er fuhr die breite, halbkreisförmige Auffahrt hoch und schoss auf der anderen Seite direkt hinter der Polizei wieder heraus, vorbei an einem Schild, auf dem stand:
    PRIVATSTRAND.
NUR FÜR ANWOHNER.
    Als könne er noch ungeschoren davonkommen. Als versuchte er tatsächlich zu fliehen.
    Das war es, was die Bullen auf die Palme brachte. Dass dieser dreiste Junge sich nicht nur aus dem Staub machen wollte, sondern auch noch glaubte, er käme damit durch. Jemand gab einen Schuss ab. Im Kofferraum des Chargers war ein graues Einschussloch zu sehen. Flynn sollte es sechs Jahre später füllen, übermalen und polieren.
    Es war so knapp.
    Danny hätte es bis zum Wasser geschafft, wären die Hinterreifen nicht in der nächsten Düne an einem Stück Zaun hängen geblieben. Er riss das Lenkrad herum, der Charger holperte mit Volldampf die Düne hinunter und landete in einer tiefen Kuhle. Der linke Vorderreifen steckte im Sand fest, und der Stoßdämpfer gab nach. Der Charger schaukelte noch einmal nach vorn, kam dann rumpelnd zum Stehen und neigte sich langsam zur Seite. Die Flut schien förmlich nach dem Wagen zu greifen.
    Hätte er es bis zum Wasser geschafft, wäre alles anders gekommen. Die Bullen hätten sich auf ihn gestürzt und ihm die Rippen auf die Motorhaube gedrückt, und Danny hätte laut gelacht, und vielleicht hätte ihm das gereicht, das Gefühl, einmal in seinem Leben richtig rebelliert zu haben. Er hätte Patricia heiraten und das Baby bekommen können, und egal, wie viele Biere er sich vor dem Fernseher reingekippt hätte, wie fett er geworden wäre und wie schlimm er gehustet hätte, vielleicht hätte es ausgereicht, um weiterzuleben.

    Die Bullen versuchten, Flynn zu packen, aber er wich einem nach dem anderen aus und lief ihnen davon. Er schaffte es bis an den Strand, wo ihn schließlich ein Polizist überwältigte. Flynn stöhnte vor Schmerzen, und erst drei Tage später stellte seine Mutter fest, dass sein linker Oberschenkelknochen gebrochen war. Er wehrte sich mit Händen und Füßen, aber der Mann hob ihn einfach hoch und brachte ihn zurück zur Straße.
    Es spielte keine Rolle mehr, er hatte genug gesehen.
    Danny lag mit der Stirn auf dem Lenkrad, ohne jedes Lebenszeichen. Nicht hip, nicht cool, kein Charme, kein Atemzug. Außer einer kleinen Stelle am Kinn war keine Verletzung zu sehen. Alles wegen des verdammten kaputten Stoßdämpfers. Er hatte sich das Genick gebrochen.
    Patricia war mit dem Kopf durch die Beifahrerscheibe geflogen. Die Glaskanten hatten ihr das rechte Ohr abgetrennt. Ein dünner Strahl Blut lief an der Tür hinunter und tropfte in den Sand.
    Zentimeter um Zentimeter kam das Wasser den Strand hoch, aber Flynn konnte nicht mehr sehen, wie es den Charger erreichte.
    Die Bullen hatten ein paar leere besänftigende Worte für ihn übrig, die klangen wie das Säuseln von Pädophilen. Sie gaben ihm Schokoriegel, Saft und Comichefte. Sie warfen Emma eine Decke über die Schultern und brachten sie weg. Sie drehte sich noch einmal nach Flynn um, und dann sahen sie sich nie wieder.

9
    Der eisige Morgenwind blies den Reif in Form von Engelsflügeln auf die Windschutzscheibe. Flynn sah, wie Sierra die Kinder zur Bushaltestelle an der Ecke brachte, zurückstiefelte und in ihren roten 91er-Civic stieg, um zur Arbeit zu fahren. Er sah, wie Kelly sich angeregt mit den anderen

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