Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road
Pflegekindern unterhielt, während der Atem Wolken um ihr Gesicht bildete. Mal lächelte sie strahlend, dann verschloss sie gleich darauf das Gesicht, als sei es ihr peinlich. Es würde eine Weile dauern, bis sie sich nicht mehr dafür schämte.
Wann erwachte Shepard endlich aus seinem verdammten Koma? Seine Tochter brauchte ihn, egal, was er für Sorgen hatte. Flynn verspürte den Drang, zum Krankenhaus zu fahren und ihn wach zu prügeln. Er wollte Antworten.
»Stell die Heizung an«, forderte Zero ihn auf.
»Du bist tot«, erklärte Flynn ihm. »Wie kann dir kalt sein?«
»Musst du gerade sagen«, erwiderte der Hund. »Du bist doch selbst tot. Weißt du das nicht?«
Das stimmte vielleicht sogar, dachte Flynn, startete den Wagen und drehte die Heizung auf. Als der Schulbus kam, lehnte er sich zurück und schaltete das Radio an. Die Kinder stiegen ein. Kelly setzte sich nach hinten, an die Flynn zugewandte Seite. Er sah ihr Haar durch das vereiste Fenster leuchten. Sofort tauchte Emma vor seinem inneren Auge auf, so nah, dass er erschrak.
»Wer ist das?«, fragte Zero.
»Wer ist wer?«
»Das Mädchen, an das du denkst.«
»Wenn du von ihr weißt, weißt du auch, wer sie ist.«
»Ich weiß nichts von ihr, aber über dich weiß ich etwas.«
Flynn reagierte leicht gekränkt. »Meinst du nicht, es ist Zeit für den Hundehimmel?«
»Wann immer du willst, ich komme gerne mit.«
Als der Bus losfuhr, wandte Flynn sich Sierras Haus zu.
»Die Bullen sammeln dich noch ein, wenn du hier die ganze Zeit rumlungerst. Du machst dich verdächtig«, sagte Zero und rutschte unruhig auf dem Beifahrersitz hin und her. »Was willst du hier?«
»Ich will Nuddin sehen.«
Flynn stieg aus und schlug die Tür zu. Er überquerte die Straße, marschierte quer über Sierras Rasen und spähte ins Wohnzimmerfenster. Der Wind pfiff durch die Bäume, über ihm klirrten Eiszapfen. Er ging ums
Haus herum zum Küchenfenster und sah Trevor Frühstücksgeschirr, Cornflakes und Milch wegstellen. Der Junge machte einen guten Eindruck auf ihn. Er wirkte verantwortungsvoll und räumte für die anderen auf. Nuddin starrte fröhlich ins Leere und summte vor sich hin. Er trug einen Overall und dicke Stiefel, als würde er im Hafen arbeiten. Wahrscheinlich hatte Sierra ein paar abgelegte Klamotten von einem ihrer Verflossenen übrig gehabt.
Nuddins deformierter, mit Narben bedeckter Kopf wirkte jetzt viel normaler, nachdem Sierra dafür gesorgt hatte, dass er sich die Haare wachsen ließ. Er hatte ein Taschentuch, mit dem er sich den Sabber vom Kinn wischte. Er sah gesund und fröhlich aus. Trevor sagte etwas, das Flynn nicht hören konnte, aber Nuddin schien ihn zu ignorieren. Als seine sanften braunen Augen Flynn durch das Fenster erblickten, füllten sie sich mit Freude. Er lächelte und stand von seinem Stuhl auf, aber Flynn machte sich Sorgen, dass er Sierra von seinem Besuch erzählte. Sie würde ihm die Hölle heißmachen.
Er lief zurück über den Rasen, stieg in seinen Wagen und jagte in Richtung Expressway. Zero schlief auf dem Beifahrersitz. Er gähnte und rieb sich mit den gestiefelten Vorderpfoten über die Nase.
Flynn fuhr ins Büro. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich die Ordner. Jeder davon bedeutete, dass ein Kind in Gefahr war. Sie so auf einem Haufen zu sehen, brachte seine schlechte Laune zum Kochen. Sierra war im Einsatz. Den Großteil des Vormittags über las er sich durch die Akten, dann verließ er das Büro, um vier der
Familien einen Besuch abzustatten. Nur einmal gab es Stress. Es war nicht mal Mittag, und der Kerl an der Tür stank nach Gin und schlechtem Gras. Sowohl Stereoanlage als auch Fernseher waren voll aufgedreht. Flynn hatte das Gefühl, dass es bei der Beschwerde eher um Lärmbelästigung ging als um irgendetwas anderes. Ein siebenjähriges Mädchen lag mit gebrochenem Bein in einem Streckverband im Bett. Er stellte ihr ein paar Fragen, während ihr Vater ihn aus dem Türrahmen finster anblickte. Ihr Zimmer war das sauberste im ganzen Haus. Sie behauptete, auf dem nassen Küchenfußboden ausgerutscht zu sein. Flynn fand keine verdächtigen blauen Flecken. Er sah sich in der Küche um. Auf dem Boden schmolzen Eiswürfel. Der Vater hatte diverse Gin Tonics getrunken. Außerdem war er stoned und sah ziemlich überfordert aus, aber sein Kind geschlagen hatte er nicht. Er machte nur dauernd den Fußboden nass.
Nach dem Mittagessen fuhr Flynn zurück ins Büro. Sierra telefonierte an ihrem Schreibtisch und
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