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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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Fenster auf die zugefrorene Stadt. Sie stiegen bei der Penn Station aus und gingen runter zum Gleis. Ihr Zug kam erst in fünfundzwanzig Minuten. Sie hatten keine zwei vollständigen Sätze gewechselt, seit sie Florence gefunden hatten. Zum ersten Mal seit seiner Begegnung mit Alvin wollte Flynn einen Drink. Er packte Jessie am Arm und zog sie hinter sich her ins nächste Restaurant.
    Dort wimmelte es von Wall-Street-Haien. Ihre Anzüge, ihr Lächeln und ihre Frisuren gingen ihm gegen den Strich. Er stellte sich an die Bar, warf ein paar Scheine auf den Tresen und kippte zwei doppelte Rum. Der Barkeeper schenkte ihm einen wissenden Blick.
    Jessie setzte sich neben ihn und bestellte einen Stinger. Als Flynn zu Bier überging, hellte sich die Miene
des Barmanns auf. Jeder konnte mal einen schlechten Tag haben.
    Plötzlich war Emma Waltz wieder da. Er sah direkt in ihre Augen. Er wurde sie nicht mehr los. Immer wieder ging sie ihm durch den Kopf und holte all die verlorene Zeit auf. Die Nachricht stammte von jemandem, mit dem er auf irgendeine Art verbunden war. Jemand, der litt und wollte, dass er genauso litt. Vielleicht tat er das bereits. Ihm fiel sonst niemand ein, mit dem er eine so wichtige und qualvolle Erfahrung geteilt hätte.
    Jessie Gray machte einen zufriedenen, aber auch leicht verbissenen Eindruck. Sie hatte eine große Story als Erste gebracht. Er hatte keinen Zweifel daran, dass sie alles perfekt berichtet und dazu noch mit einer literarischen Qualität versehen hatte.
    »Sie wissen wirklich, wie man ein Mädchen gut unterhält«, sagte sie.
    Es dauerte eine Weile, bis er von seinem Bier hochsah. Seine Züge verhärteten sich, und an seinem Hals traten die Adern hervor. Er fuhr auf seinem Barhocker herum und schenkte ihr ein klägliches Lächeln. Seine Augen waren kaum mehr als schimmernde Schlitze.
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich hätte nicht so daherreden dürfen. Das war wirklich schrecklich dumm von mir.«
    Sie meinte es ernst, aber nicht ernst genug. Ein paar von den Yuppies starrten sie an und fingen an zu tuscheln. Er konnte sich ausmalen, worum es ging: Was machte ein hübsches Mädchen wie sie mit einem alten Knacker wie ihm?

    »Kein Problem«, beruhigte er sie. Er war erschöpft, sein Ärger verflogen. »Sie sollten nicht hier bei mir sitzen.«
    »Ich weiß, was ich tue.«
    »Nein, das wissen Sie nicht. Das können Sie gar nicht wissen. Sie sollten sich von mir fernhalten. Sie sind in Gefahr.«
    »Das glaube ich nicht. Für heute haben Sie Ihre Nachricht erhalten. Jetzt lässt er Sie eine Weile damit leben.«
    »Oder sterben«, erwiderte Flynn.
    »Er will Sie nicht tot. Aus irgendeinem Grund will er weiter mit Ihnen kommunizieren. Er hat eine Geschichte zu erzählen, und er will sie nur Ihnen erzählen.«
    »Und Sie wollen dabei sein.«
    »Ja«, gab sie zu. »Ich bin Reporterin. Das ist mein Job.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Drink. Er wartete darauf, dass sie ihre kleine Rede beendete. Er hatte das schon tausend Mal gehört und es sogar selbst ausgesprochen. So wie jeder andere auch. So definierten sich die Menschen. Und das mussten sie den anderen unbedingt mitteilen. »Das ist das, was ich tue. Was ich bin.«
    »Verstehe«, sagte er.
    »Es ist reizend, dass Sie sich Sorgen um mich machen. Man könnte fast meinen, ich würde Ihnen etwas bedeuten.«
    »Nicht sehr nett, was Sie da sagen.«
    »Das passiert mir häufig, wenn ich mit Ihnen zusammen bin. Vielleicht bedeutet das ja, dass ich Sie mag. Ich neige dazu, Männer zu heiraten, mit denen ich so rede. Natürlich hält keiner von ihnen das lange aus.«

    Eine richtig romantische Eröffnung war das nicht, aber immer noch eine ehrliche Aufforderung.
    Ohne es wirklich zu wollen, schob er ihr langes glattes Haar auseinander und beugte sich ihr entgegen. Doch eigentlich griff er nach etwas anderem, nach seiner Jugend vielleicht oder nach seiner ganzen vergeblichen Liebe. Sie schmiegte sich an ihn, und dann küssten sie sich.
    Das ging eine Weile so weiter. Offenbar hatten sie beide ein großes Bedürfnis danach. Hitze, Lust, aber keine Leidenschaft im eigentlichen Sinn. In seinen Lippen war nach wie vor kein Gefühl. Ihre Zungen berührten sich noch, als er die Augen öffnete. Und kurz darauf sie. Sie sahen sich an, und endlich lösten sie sich voneinander. Es war der beste und gleichzeitig schlechteste Kuss, den er je erlebt hatte.
    Eine halbe Minute vor Abfahrt erreichten sie den Zug und drängten sich

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