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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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jetzt die Reporterin. Es war einfach ihre Art, eine Story auszuloten. Es war das, was sie antrieb, und was sie am besten konnte.
    Flynn hoffte, sie würde den Artikel für die Parade schreiben und Florence’ Liebe zum Film und nicht ihren Tod zum Hauptthema machen.
    Raidin war auch am Tatort, obwohl die Kollegen aus der Stadt gerufen worden waren. Sie überschütteten ihn mit Fragen, die Flynn so gut es ging beantwortete.

    Schon nach kurzer Zeit unterstellten sie ihm, die alte Dame selbst umgebracht zu haben. Hätte Flynn nicht von vornherein damit gerechnet, wäre ihm schlecht geworden, oder aber er hätte ihnen ins Gesicht gelacht. Sie kamen ihm mit den dümmsten Argumenten, die er je gehört hatte. Er habe ihr Geld gewollt. Er habe sie in Notwehr getötet. Er habe es getan, um in der Zeitung zu stehen. Freundlich und sachlich erklärten sie ihm, dass er ein Mörder sei, als wären sie alle gute Freunde und gingen danach ein Bier trinken. Wenn sie jeden Fall so bearbeiteten, war es erstaunlich, dass überhaupt noch jemand im Gefängnis landete.
    Aber es gab sonst niemand, an den sie sich halten konnten. Ab jetzt konnte es ungemütlich werden. Sie würden anfangen, ihn stärker unter Druck zu setzen. Huey und Hazel standen dicht nebeneinander im Foyer und wurden von Raidin verhört. Huey hatte eine solche Fahne, dass Flynn sie aus fünf Meter Entfernung roch. Er trank inzwischen billigen Fusel; Four Roses, denselben Mist, den Flynns Vater am Ende in sich reingekippt hatte. Huey gab zu, sich draußen ein paar Drinks genehmigt zu haben. Hazel war hinten gewesen und hatte die Abrechnung für den vorherigen Tag gemacht. Niemand kam mitten im Film ins Paradigm. Sie hatte niemanden gesehen.
    Raidin glaubte ihr nicht, oder jedenfalls tat er so. Kein Mensch ließ ein ganzes Kino unbeaufsichtigt, egal für wie lange. Hazel sagte, es sei nicht unbeaufsichtigt gewesen, Opa und Flynn seien ja da gewesen. Raidin habe ja keine Ahnung, wie so ein Laden funktioniere. Wie wenig Leute zur ersten Vorstellung kamen. Es nützte
nichts. Er war entschlossen, ihnen das Leben schwer zu machen. Flynn machte sich zwar keine großen Hoffnungen, aber wenn Raidin hart genug am Ball blieb, kam vielleicht irgendetwas dabei heraus.
    Kurz darauf lernte Flynn Opa kennen. Er war ein harter Mann, vielleicht siebzig Jahre alt, glatt rasiert, kahlköpfig, mit einer modischen Sonnenbrille, die abhängig vom Licht die Farbe wechselte. Es gefiel ihm nicht, wie Raidin mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter redete, und das ließ er ihn auch wissen. Flynn freute sich immer über ältere Menschen, die sich nichts gefallen ließen. Er glaubte allerdings nicht, dass er selbst so sein würde.
    Opa machte den Eindruck, als wollte er handgreiflich werden. Die anderen Polizisten kamen näher. Huey versuchte, seinen Vater zu beruhigen, der schließlich schwieg und schwer atmend dastand. An seinen drahtigen Armen traten die Sehnen hervor.
    Raidin kam auf Flynn zugetänzelt. Er trug dasselbe Outfit wie beim letzten Mal: schwarzer, dick gefütterter Regenmantel, Handschuhe, Dreiteiler. Nur eine andere Krawatte. Seine trüben grauen Augen wirkten in der schwachen Beleuchtung noch lebloser.
    »Okay, fangen wir von vorne an.«
    Wenigstens verschwendete er nicht noch mehr Zeit. Flynn erzählte ihm alles. Seinen kurzen Wortwechsel mit Florence. Dass sie Darmkrebs hatte und trotzdem immer noch so viele Süßigkeiten kaufte. Jedes Detail, an das er sich erinnerte. Als er zum Ende kam, hätte er aufhören sollen, aber er konnte einfach den Mund nicht halten. »Er kommt immer näher. Florence musste
in der Mitte des Films immer zur Toilette. Wenn er es auf Leute um mich herum abgesehen hat, ist sie ihm praktisch in den Schoß gefallen. Falls er auf mich gewartet hat …« Flynn dachte kurz darüber nach und wünschte, es wäre so gewesen. »Er ist clever und weiß, was er tut.«
    »Er konnte nicht davon ausgehen, dass die Besitzer nicht da sind.«
    »Im Grunde doch. Huey geht immer in die Bar. Und Hazel hat dauernd etwas im Büro zu tun. Sie steht nie einfach nur im Foyer herum. Wenn er sie beobachtet hat, wusste er das. Wenn nicht, hatte er Glück.«
    »Läuft alles ein bisschen anders hier als im Multiplex.«
    »Allerdings.«
    Raidin fuhr sich mit dem Daumen übers Kinn. Mit festem Blick sah er durch Flynn hindurch, dann durch die Wand und grübelte, wie es wohl abgelaufen war. »Er hat Schmerzen, das gibt er offen zu. Er hat die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Warum?

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