Schmerzlos: Thriller (German Edition)
Telefon griff und Primacon anrief. Auf Archies Seite standen ein Computer und die Monitore für die Überwachungskameras des Gebäudes. Ich erkannte lange Flure, eine Hintertür, die Einfahrt der Parkgarage auf dem Wilshire Boulevard und den Hinterausgang, der auf eine Seitenstraße führte.
»Was ist denn das?«, fragte ich.
Archie hob den Kopf. Ich zeigte auf einen der Monitore.
Er folgte meinem Blick. »Tiefgarage. Das ist schon den ganzen Tag so. Manchmal verstellen sich die Kameras auf der Halterung. Das wird morgen früh repariert.«
Ich starrte auf die anderen Monitore. Die Kameras überwachten die Parkebenen 1 bis 3, aber ich wusste, dass es noch mehr Ebenen gab. Mich beschlich ein ungutes Gefühl.
»Morgen früh?«, sagte ich.
»Wir arbeiten hier mit einer Notmannschaft. Das Gebäude hat noch so seine Mucken. Außerdem sind die Bauarbeiten noch gar nicht abgeschlossen.«
»Die Kamera zeigt zur Decke, sodass Sie nicht beobachten können, was in der Tiefgarage los ist. Macht Sie das nicht nervös?«
Er starrte auf den Monitor und kniff die Augen zusammen.
»Wer hat denn heute noch Dienst? Ist ein bewaffneter Sicherheitsbeamter im Gebäude? Holen Sie ihn her«, sagte ich.
Archie starrte mich beleidigt an. Es passte ihm nicht, dass ihm jemand sagte, wie er seinen Job erledigen sollte, aber er war definitiv nicht gerade der Hellste.
»Bitte«, sagte ich.
Meine Mutter zog mich ein Stück weg, bis Archie uns nicht mehr hören konnte. »Ich habe ein mulmiges Gefühl bei der Sache.«
»Du hast nie mulmige Gefühle.«
»Ich weiß. Deshalb finde ich ja auch, dass wir sofort von hier verschwinden sollten.«
Mein Radar blinkte ebenfalls. Es war nichts Bestimmtes, nur eine ganze Reihe von Ungereimtheiten. Ich fühlte, dass Jesse hier war, irgendwo in der Nähe. Und er steckte in der Klemme.
»Nein«, erwiderte ich. »Ich kann ihn nicht hierlassen. Aber es wird Zeit, die Polizei zu holen.«
Jesse startete den Motor und fuhr den Pick-up vom Parkplatz. Seine Arme waren so müde, dass sie fast schon zitterten. Es war lange her, seit er so erschöpft gewesen war; das passierte ihm höchstens nach einem harten Training für 200 Meter Schmetterling. Er wendete den Pick-up und fuhr zur Rampe. Er hätte es nie für möglich gehalten, einmal so froh über ein paar Räder zu sein.
Auf Ebene 4 bog er wieder zu den Parkplätzen ab und suchte nach Swayzes BMW. Er wusste nicht, was sie vorhatte, aber er würde es herausfinden. Doch das einzige Fahrzeug auf Ebene 4 war ein staubiger Pick-up mit Monsterreifen und einem Bullenfänger vor der Motorhaube, der in der Nähe eines Wartungsraums parkte. Die Tür zum Wartungsraum stand offen, und im Innern erkannte er Leitungen und ein paar Maschinen. Er wendete den Pick-up und fuhr zur nächsten Ebene hoch.
Und dort fand er den BMW. Jesse fuhr an dem Wagen vorbei, obwohl er am liebsten etwas Obszönes auf seine glänzenden Kotflügel geschrieben hätte. Er starrte ihn einen Moment lang an. Nein, Swayze würde er sich für später aufheben. Jetzt musste er erst mal ein Telefon finden und Evan anrufen. Und da er niemandem von den Leuten im Argent Tower traute, musste er sich jetzt eine Telefonzelle suchen.
Er kurvte hoch auf Ebene 1 und durch die Tiefgarage hindurch auf die Ausfahrt zu, die auf der anderen Seite lag. Ein paar Blocks den Wilshire Boulevard hoch gab es eine Tankstelle, an der er mit Sicherheit telefonieren konnte. Draußen auf der Straße konnte Jesse im Rückspiegel beobachten, wie der Argent Tower immer kleiner wurde. Und mit jedem Meter, den er zwischen sich und das Gebäude brachte, wuchs das Gefühl, noch einmal Glück gehabt zu haben.
Wir traten wieder zum Empfang. Archie starrte auf den Monitor der Überwachungskamera und kratzte sich an der Nase.
»Atkins? Sind Sie da?«, sagte er.
Jemand meldete sich. »Zur Stelle.«
»Wo sind Sie? Sie müssen eine Überwachungskamera in der Tiefgarage überprüfen.«
»Ich soll in die Tiefgarage? Allein?«
Vermutlich dachte er gerade an den Sicherheitsbeamten, der auf der Intensivstation lag, nachdem er runtergefahren war, um nach Coyote zu suchen. Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte.
»Okay, ich komm runter«, krächzte es aus dem Walkie-Talkie. »Ich bin oben im Sky Bistro, es dauert also ein bisschen.«
Inzwischen griff Archie nach dem Hörer. »Ja, Dr. Swayze. Besuch für Sie. Der Name ist …« Er sah meine Mutter an.
»Angie Delaney.«
Er gab das weiter und lauschte. »Ja, das hat sie gesagt.
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