Schmerzlos: Thriller (German Edition)
»Geheimagentin« fielen, würde man mich hochkant aus dem Revier werfen oder mich auf die Liste mit Terrorverdächtigen setzen. Oder beides.
»Es handelt sich um einen meiner Informanten, der mir Hintergrundmaterial für einige meiner Artikel geliefert hat. Die Serie über Internetkriminalität zum Beispiel, in der es um eine Verbrecherorganisation ging, die IT-Firmen unterwandert hatte.«
»Wie heißt er?«, beharrte McCracken.
»Das ist vertraulich.«
Er kratzte sich an der Nase und schnaubte empört. »Sie machen es einem wirklich nicht leicht. Das war früher schon genauso.«
Tommy setzte sich an seinen Schreibtisch. »Ich weiß, dass dein Informant anonym bleiben will. Aber es geht hier um die Ermittlungen in zwei Mordfällen.«
»Ich werde dir alles sagen. Bis auf seinen Namen.«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«, fuhr McCracken mich an.
»Nein, Sir.«
»Die Medien rennen uns die Türen ein. Lokalzeitungen und Radiosender. Da draußen steht der Übertragungswagen eines Fernsehsenders aus Los Angeles mit einer Satellitenantenne auf dem Dach. Und CNN ruft auch ständig an. Das wird der reinste Zirkus werden.« Er stand auf. »Was für ein Interesse haben Sie an dem Fall? Sie sind doch nicht etwa auf einem Egotrip? Wollen Sie einen Exklusivartikel schreiben?«
Jesse rieb sich mit der Hand das Bein, was er immer tat, wenn ihm etwas nicht passte. Es widerstrebte ihm offenbar ganz entschieden, einfach den Mund zu halten, aber das hier musste ich allein durchstehen.
»Nein«, erwiderte ich. »Ich gebe nur die Informationen weiter.«
»Dann geben Sie uns gefälligst alle Informationen. Sie sagen, wir hätten es mit einem Killer namens Coyote zu tun, aber Sie wollen uns nicht dabei helfen, den Kontakt zu Ihrem Informanten herzustellen, der uns vielleicht noch mehr sagen könnte.«
»Das ist alles, was ich weiß. Sollte ich mehr erfahren, werde ich es Sie wissen lassen.«
McCracken packte seinen Gürtel und zog sich seine Hose hoch. »Gut. Aber dann müssen Sie mit einem Besuch des FBI rechnen.« Er sah Tommy an. »Rufen Sie den FBI-Beamten im Ortsbüro in Bakersfield an. Ich werde mit Los Angeles reden, die Abteilungen Verhaltensanalyse und Serienmörder haben dort ein paar Teams.« Er schüttelte den Kopf. »So ein Mist.« Dann verschwand er.
Tommy rieb sich die Augen. »Du wirst es nicht für möglich halten, aber im Grunde genommen ist er ein ganz reizender Mensch.«
»Tommy, ich versuch hier wirklich nicht, eine Exklusivstory rauszuschlagen. Man könnte durchaus sagen, dass ich eher unfreiwillig zu diesen Informationen gekommen bin.«
»Ich glaub dir ja. Aber das ist alles so …« Er zuckte müde mit den Schultern.
So barbarisch und unvorstellbar. Und er hatte die Ermittlungen zu leiten.
»Alles in Ordnung mit dir?«
Er nickte angespannt.
Jetzt legte Jesse die Hand auf den Schreibtisch. »Weißt du, was mir Sorgen macht? Die anderen Namen auf der Liste mit den toten Ehemaligen.«
Tommy starrte ihn schweigend an. Draußen donnerte ein Kampfjet vorbei.
»Und damit du es weißt«, sagte Jesse. »Ich habe eine Neun-Millimeter-Glock zu Hause. Die Waffe ist geladen. Aber da sie dreihundert Kilometer von hier entfernt ist, werde ich Evan raten, das Gaspedal durchzutreten und nicht mal dann anzuhalten, wenn ein Streifenwagen der Highway Patrol mit Jesus Christus am Steuer sie dazu zwingen will. Einwände?«
»Lasst euch auf gar keinen Fall anhalten«, erwiderte Tommy. »Mit Jesus hab ich nichts am Hut.«
Ich stand auf. »Keine Sorge. Nichts und niemand wird mich daran hindern, diese Stadt auf schnellstem Wege zu verlassen.«
5. Kapitel
Die Sonne versank gerade im Pazifik, als ich um die Kurve fuhr und den ersten Blick auf mein Zuhause warf. Auf dem Ozean flimmerte flüssiges Gold wie eine Opfergabe, die von den Hängen der Santa-Ynez-Berge heruntergeflossen war. Die Aussicht fasziniert mich immer wieder. Aus Santa Barbara würde ich auch nicht für zehn Millionen Dollar wegziehen.
Ich setzte Jesse vor seinem Haus am Strand ab. Als ich in die Straße einbog, in der ich wohne, hatte sich der Himmel dunkelblau verfärbt, und im Osten funkelten die ersten Sterne. Die Virginia-Eichen und die weißen Oleanderbüsche schimmerten im Halbdunkel. An der Ecke spielten Nachbarskinder Baseball. Als ich vor meinem Haus hielt, erfassten die Scheinwerfer das rote Mazda-Cabrio, das in meiner Einfahrt geparkt war.
Ich ließ den Wagen laufen, während meine Hand auf dem Schalthebel lag. Ich hatte einen
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