Schmerzlos: Thriller (German Edition)
Jahre alt.
»Fieber hast du jedenfalls keines.« Sie deutete auf den Saft.
Ich schluckte die Tabletten. »Aber mir tut alles weh. Ich bin müde. Und ich hab rasende Kopfschmerzen.«
»PMS?«
»Warum bekomme ich das in letzter Zeit ständig zu hören?« Doch dann sank ich in mich zusammen. »PMS hoch drei. Es ist so schlimm, dass man es schon als Extremsportart bezeichnen könnte.«
Sie drehte sich zur Spüle um. »Ist das der Grund dafür, dass du deine Cousine wie eine Kobra angefaucht und aus dem Haus geworfen hast?«
Ich presste die Handballen auf meine müden Augen. »Als Nächstes setze ich einen Auftragskiller auf Taylor an.«
»Das kannst du mir nicht antun.« Sie drehte sich um. »Wer würde uns denn dann über Kendalls Scheidung auf dem Laufenden halten? Oder uns erläutern, dass Mackenzie sein Wirtschaftsstudium abgebrochen hat, um vegane Mode zu entwerfen?«
»Da hast du recht.«
Taylor verbreitete nutzlose Informationen schneller als jeder Computervirus. Hinsichtlich Klatsch war sie für die Familie unersetzlich.
Meine Mutter trat zu mir an den Tisch, stellte sich hinter mich und schlang ihre Arme um meine Schultern. »Also gut. Ich hör auf zu fragen.«
»Großartig.«
»Wenn ich tot bin. Danach übernimmt die Stiftung. Das habe ich in meinem Testament so festgelegt.«
Ich lachte, doch die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer. Meine Mutter fing an, Lebensmittel aus dem Kühlschrank zu holen. Ich massierte mir die Nackenmuskeln und bewegte den Kopf hin und her.
»Mom, ich bin ja eigentlich diejenige, die Fragen stellt. Du kannst dir sicher denken, warum ich fast fünfhundert Kilometer geflogen bin – ich will ein paar Antworten.«
Sie legte Kirschtomaten und einen Salatkopf auf die Arbeitsplatte. »Ich weiß. Aber lass uns erst mal essen. Ich habe einen guten Rotwein aus dem Napa Valley da, den machen wir auf.«
»Bitte weich mir nicht aus.«
Ihr Gesicht sah angespannt aus. »Das hab ich nicht vor. Ich habe das nämlich schon lange erwartet.«
»Wirklich?«
»Ja. Seit ungefähr zwanzig Jahren.«
Coyote stand am Fenster seines Hotelzimmers. Die Aussicht war spektakulär. Der Himmel war mit roten Streifen überzogen, und die Hochhäuser im Stadtzentrum reflektierten das Licht orange. Smog verursachte grandiose Sonnenuntergänge, doch da die Luftverschmutzung in Los Angeles zurückgegangen war, sah man so was wie heute nur noch selten. Wenn man die Nase in den Wind hielt, roch man kaum noch Kohlenwasserstoffe.
Unten auf dem Hollywood Boulevard rauschte der Verkehr, und auf den Gehsteigen drängten sich die Menschen. Touristen, Schauspieler und Huren, Jäger und Gejagte. Alle wollten Ruhm, alle wollten Geschäfte machen und sich auf die eine oder andere Art verkaufen. Für sie war Los Angeles eine harte, anstrengende Stadt. Geldgier und professionelle Perfidie in Perfektion – in ihrer Welt hielt man so was für anstrengend.
Er griff nach seinem Amulett und dachte nach.
Die Röntgenaufnahmen von Ceci Lezaks Schädel hatte er gescannt und hochgeladen, zusammen mit Notizen zu seinem Einsatz. Er hatte alles dokumentiert. Lezaks Reaktion war wie aus dem Lehrbuch gewesen. Die Frau hatte sich gewehrt und auf ihn eingestochen. Gut, das war ein eher halbherziger Versuch gewesen, aber immerhin. Dann Schreien, Ausweichen, Fluchtversuch – die klassische Fluchtreaktion. Das war allerdings nicht der aufregendste Teil seines Einsatzes gewesen. Der aufregendste Teil hatte etwa zehn Sekunden, nachdem er ihr das Instrument durch die Lippe gebohrt hatte, begonnen. Sie hatte sich ausgeklinkt. Der Ausdruck in ihren Augen, die Tatsache, dass sie plötzlich ganz ruhig geworden war, hatten ihm alles gesagt. Sie war einfach erstarrt. Der Rest war kein Problem mehr gewesen. Sie hatte überhaupt nicht mehr reagiert. Sie hatte nicht einmal geschrien, als er ihr den Scaler in die Augenhöhle getrieben hatte. Die Fahrstuhlmusik aus den Lautsprechern und ihr keuchender Atem hatten das Geräusch nicht überdecken können, mit dem das Instrument eingedrungen war. Blut und Kammerwasser waren ihr über die Wange gelaufen, doch Ceci Lezak hatte nur dagelegen wie gelähmt.
Der Hunger wurde größer. Ein trockener Geschmack auf der Zunge. Seine Mission verlangte nach ihm.
Coyote wandte sich vom Fenster ab und nahm seine Reiseapotheke aus dem Koffer. Zunächst desinfizierte und versorgte er die kleine Wunde, die Ceci Lezak ihm mit der Kürette beigebracht hatte. Dann machte er mit den Spritzen weiter. Als Erstes
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