Schmerzlos: Thriller (German Edition)
weißt schon, was ich meine – enge Hosen, nackte Oberkörper, Schweiß.«
»Nein. Keine Ahnung.«
»Nur für ein oder zwei Tage. Evan, die beiden sind Zwillinge.«
»Nein.« Ich brauchte Tabletten gegen Reisekrankheit. Und Mundwasser. Für mein Gehirn. »Wenn du sie fotografieren willst, machst du das erst, wenn sie mit meinem Bad fertig sind.«
Ihre Stimme klang leicht beleidigt. »Evan, manchmal bist du wirklich ausgesprochen langweilig.«
Zu meiner Mutter gewandt wiederholte ich lautlos Ich bin langweilig, bevor ich ins Telefon sagte: »So haben mich meine Eltern erzogen.«
Mom boxte mir spielerisch auf den Arm und drückte mir eine Packung Papiertaschentücher in die Hand.
»Taylor, du lässt die beiden in Ruhe, ist das klar? Und jetzt entschuldige mich, ich muss in das Zeichensetzungsseminar meines Grammatikvereins.«
»Warte, ich habe noch eine Frage zur Rechtschreibung. Hab ich dieses Wort richtig geschrieben?«
Sie sagte es mir Buchstabe für Buchstabe vor. Ich verdrehte so heftig die Augen, dass mir die Muskulatur dahinter wehtat.
»Nein. Das schreibt man Ph -antasmagorie. Und man versteht darunter eine wechselnde Folge von Bildern, wie in einem Traum zum Beispiel. Mit einer fantastischen Orgie hat das nichts zu tun.«
Meine Mutter schnappte sich eine Riesenpackung Vitamine aus dem Regal, und wir bogen um die Ecke in den Gang, in dem die wenigen Männer, die sich dorthin verirrten, sofort die Krätze bekamen: Hygieneartikel. Ein Mitarbeiter füllte gerade ein Regal mit Tampons nach und starrte auf den Boden, um seine Scham zu verbergen. Ich warf einen Blick auf die Produkte im Regal und blieb wie angewurzelt stehen.
»Taylor, ich muss aufhören.« Kurzerhand beendete ich das Gespräch. »Mom, geh schon mal vor. Wir treffen uns an der Kasse.«
Als wir uns wiederfanden, war ich schon draußen. Auf dem El Camino dröhnte der Verkehr. Ich verstaute die Tüte aus dem Drugstore in meinen Rucksack und fühlte mich hundeelend.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie.
»Aber ja. Komm, wir müssen los. Ich will meinen Flug nicht verpassen.«
Sie setzte mich vor dem Terminal ab. Der Flughafen war ein einziges Chaos. Autos bremsten unvermittelt an der Bordsteinkante, Fluggäste schleppten Gepäck über die Straße auf den Gehsteig. Ich suchte in meinem Rucksack nach meinem Ticket, wobei mir ein paar Sachen auf den Boden des Wagens fielen. Ich sammelte alles auf, stopfte es wieder in den Rucksack und stieg aus.
Meine Mutter lief um den Wagen herum und umarmte mich. »Ruf mich heute Abend an.«
»Auf jeden Fall.« Sie wollte sich schon abwenden, als ich sie bei der Hand nahm. »Und danke für das, was du vorhin gesagt hast. Das bedeutet mir sehr viel.«
»Grüß Jesse von mir.« Sie drückte meine Hand. »Und jetzt beeil dich. Die Sicherheitskontrolle in diesem Terminal ist eine Katastrophe. Du wirst wahrscheinlich rennen müssen, um deinen Flug zu erwischen.«
Sie warf mir einen Handkuss zu und fuhr davon. Mit einem flauen Gefühl im Magen ging ich zum Check-in. Und dann musste ich tatsächlich zum Flugsteig rennen.
Der Start dauerte länger als erwartet. Endlich hoben wir bei starken Turbulenzen ab und flogen über die Stadt und an der Küste entlang. Die 737 ging in Schräglage und drehte eine enge Kurve in Richtung Süden. Ich griff nach der Spucktüte im Sitz vor mir und hielt sie mir vor die Brust. Die Frau auf dem Gangplatz neben mir warf mir pausenlos nervöse Blicke zu. Die Maschine klapperte und vibrierte.
Ich spähte aus dem Fenster auf die weißen Schaumkronen des Meeres. Das Flugzeug befand sich immer noch in Schräglage. Ich wollte unbedingt aufstehen, aber das Anschnallzeichen leuchtete unverändert. Wenn wir nicht sehr bald die endgültige Flughöhe erreichten, würde ich die Armlehnen von meinem Sitz reißen.
Als ich spürte, wie die Maschine wieder in die Waagrechte ging, zerknüllte ich die Spucktüte in meiner Hand. Ich konnte nicht mehr warten. Ich löste meinen Sicherheitsgurt, packte meinen Rucksack und schoss hoch. Meine Sitznachbarin sprang auf, um mich vorbeizulassen. Ich stürzte den Gang hinunter und stützte mich dabei auf den Sitzlehnen ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Eine Flugbegleiterin hob die Hand, sicher, um mir zu sagen, dass ich mich wieder hinsetzen sollte. Doch als sie erkannte, wie blass ich war, ließ sie es bleiben. Ich wankte in die Toilette und verriegelte die Tür hinter mir.
Ich zerrte die Tüte vom Drugstore aus dem Rucksack und riss
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