Schmerzlos: Thriller (German Edition)
sich auch noch an Swayze erinnern. Ich zitiere: Ein arrogantes Miststück.«
Er drehte sich zu mir um. Der überraschte Ausdruck auf seinem Gesicht war nicht gespielt. »Deine Mutter hat ihre Prinzipien. Aber manchmal denkt sie schwarz-weiß.«
»Und? Hat sie recht?«
»Maureen ist eine starke Persönlichkeit und manchmal etwas unangenehm, aber weiter würde ich nicht gehen. Kit, ist mit dir alles in Ordnung?«
Jesse warf einen Blick in den Rückspiegel. »Das wollte ich dich auch schon fragen. Deine Augen glänzen so komisch, und du wirkst irgendwie benommen. Als hätte dir jemand ein Kantholz über den Schädel gehauen.«
Nicht ganz. Aber so ähnlich.
Aus meiner Kehle drang ein undefinierbarer Laut, ein Mittelding zwischen Kreischen und Lachen.
»Oh ja, und zwar so fest, dass es für einen Homerun gereicht hätte.«
Die beiden wandten sich um und glotzten mich fassungslos an. Ich presste mir eine Faust auf den Mund und wartete darauf, dass sich meine Nerven wieder etwas beruhigten. Draußen zogen Reklametafeln, Palmen, Hotels, Luftfrachtbüros und Striplokale an uns vorbei, die im grellen Sonnenschein schäbig und ungepflegt wirkten. Autos wechselten mit hoher Geschwindigkeit die Spur und schossen hin und her wie Schmeißfliegen. Jesse folgte einem anderen Pick-up in eine Lücke im Verkehr und schnitt zwei Spuren, um bei einer Ampel noch durchzukommen.
Ich zwang meine Stimme in eine normale Tonlage. »Wird Swayze versuchen zu mauern?«
Dad runzelte die Stirn. »Sie ist immer ehrlich gewesen. Es kann gut sein, dass sie ihre eigenen Ziele verfolgt, aber ich glaube, sie wird uns alles sagen, was sie kann.«
»Das will ich ihr auch geraten haben. Das Leben eines kleinen Jungen steht auf dem Spiel.«
Der Kleine war zwei Jahre alt. Entführt von einem Serienkiller, an dessen Händen noch Beckys Blut klebte. Großer Gott.
»Aber um Maureen geht es gar nicht. Es geht um South Star«, sagte mein Vater.
»Und jetzt wirst du uns von dem Projekt erzählen?«
»Nur das, was nicht geheim ist.« Mit dem Zeigefinger schob er den Schirm seiner Baseballmütze nach oben. »Bei South Star ging es darum, die Leistungsfähigkeit von Soldaten zu verbessern. Man forschte nach Möglichkeiten, die Soldaten in die Lage versetzen sollten, selbst unter extremen Bedingungen körperliche und geistige Höchstleistungen zu erbringen.«
»Wie?«
»Sie wurden sozusagen getunt. Stärkung des Immunsystems, Verbesserung der Ausdauer und Reduzierung des Schlafbedarfs. Erhöhung der Schmerzschwelle, damit sie auch kämpfen konnten, wenn sie verwundet waren.«
Jesse lenkte den Pick-up auf die Auffahrt zum 405 und reihte sich in den Verkehr auf dem Highway ein. »Also so eine Art Übermenschen?«
»Es ging darum, unsere Soldaten in einer Kampfsituation am Leben zu erhalten. Wenn man zu wenig Schlaf bekommt, macht man Fehler, und dann sterben eventuell Kameraden. Wenn es einem aber gelingt, das Schlafbedürfnis auszuschalten, kann ein Soldat rund um die Uhr im Einsatz sein, ohne an Leistungsfähigkeit zu verlieren. Man muss weniger Soldaten in den Kampf schicken und riskiert dadurch weniger Leben.«
»Swayze hat Schlaflosigkeit entwickelt?«, fragte Jesse.
»Sozusagen.«
»Und nach Möglichkeiten gesucht, die Schmerztoleranz zu erhöhen?«
Er wechselte die Spur. Der Verkehr war typisch für Los Angeles: Riesige Geländewagen, Limousinen und Sportwagen kämpften um die Vorherrschaft auf der Straße. Am Straßenrand standen Verkehrsschilder, die langsamere Verkehrsteilnehmer aufforderten, die rechte Spur zu benutzen, doch niemand kümmerte sich darum, denn kein Einheimischer gab zu, dass ein anderes Auto schneller war als seins. Nie im Leben.
»Es ging nicht um Schmerztoleranz«, sagte mein Vater. »Wichtig war die Schmerzschwelle. Die Soldaten sollten Schmerzen gar nicht erst empfinden.«
»Dafür gibt’s einen Namen«, gab Jesse zurück. »Morphium.«
»Stimmt. Im amerikanischen Bürgerkrieg war Morphium ein hervorragendes Schmerzmittel, und es funktioniert auch heute noch, aber wenn man es einem Soldaten spritzt, kann er nicht mehr klar denken und handeln. Angenommen, man könnte die Schmerzempfindung ausschalten, ohne das Denkvermögen des Soldaten negativ zu beeinflussen. Was wäre, wenn man Leute gegen Schmerzen impfen könnte, damit Soldaten auch dann weiterkämpfen, wenn sie verwundet sind?«
»Bei South Star ging es darum, eine Schmerzimpfung zu entwickeln?«, sagte ich.
»Ja.«
Jesse schüttelte den Kopf. »Man
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