Schmerzlos: Thriller (German Edition)
im Lotto. Zweitens: Das kann man sich ja denken.
Aber er hatte überhaupt keine Zweifel. Kein Blick, kein Wort, das darauf schließen ließ. Nicht zum ersten Mal dankte ich dem Schicksal, das ihn in mein Leben geschubst hatte.
Ich schob das Tor auf und suchte den Garten ab. Hibiskus, Jasmin und der dichte Efeu, der den Zaun überwucherte. Und der gesprenkelte Schatten der immergrünen Eichen auf dem Rasen. An der Haustür lugte ich durch die Glaseinsätze. Das Wohnzimmer war leer, in der Küche brannte Licht. Ich drehte den Schlüssel im Schloss und erstarrte. Die Tür war nicht abgeschlossen, doch im Haus blieb es still.
»Die Alarmanlage«, sagte ich. »Sie hätte eingeschaltet sein müssen.«
Jesse drängte mich von der Tür weg. »Gib mir die Glock.«
Ich wühlte im Rucksack herum und reichte ihm die Waffe. Er legte sie auf seinen Schoß. Mist. Vielleicht war es doch besser, wenn ich sie nahm. Er war ein glänzender Schütze, aber ich konnte rennen und schießen, und das auch noch gleichzeitig.
»Bleib hier.« Er stieß die Tür auf und rollte hinein. »Hallo?«
Er war jetzt in der Mitte des Raums und blickte sich um. Am Esstisch wurde er langsamer. Er nahm ein Stück Papier vom Tisch und las es. Seine Schultern entspannten sich.
»Alles in Ordnung.« Er ließ den Rollstuhl herumwirbeln. »Hier.«
Es war eine Nachricht von Carlos Martinez.
14.45 Uhr. Muss Ersatzteile holen. Bin in einer halben Stunde wieder da. Carlos
Ich knüllte das Papier zusammen. »Ich glaube, ich werde mal ein ernstes Wörtchen mit dem guten Carlos reden.«
Jesse fuhr in Richtung Schlafzimmer. »Wie ist er überhaupt hier reingekommen?«
»Das ist einer der Punkte, die ich mit ihm klären will.«
Er rollte ins Schlafzimmer. Ich ließ den Rucksack auf den Couchtisch fallen, trat zum Schreibtisch und drückte bei meinem Anrufbeantworter auf Play.
Die Stimme meiner Cousine Taylor schallte mir entgegen. »Hi, Evan. Ich habe dir ein paar Bildstrecken für das Buch vorbeigebracht. Magst du sie mal anschauen?«
Auf meinem Schreibtisch lag eine Mappe. Ich seufzte.
»Und spitz schon mal deinen Bleistift, weil ich …«
Ich drückte auf Löschen. Währenddessen klingelte das Telefon. Es war Abbie.
»Becky und ihr kleiner Junge. Am liebsten würde ich die ganze Zeit kotzen. Eine Mutter und ihr Kind, das ist so …«
Sie brach ab.
»Ich weiß«, sagte ich.
»Wallys Vater nimmt die Kinder zu sich in sein Haus in Independence. Ich packe ein paar Sachen und ihr Schulzeug zusammen und fahre am Wochenende mit ihnen hin.«
»Gut.«
»Sehr gut sogar. Mein Schwiegervater war früher bei den Marines. Wenn es jemanden gibt, der sie beschützen kann, dann er«, sagte sie. »Ich geb dir seine Adresse und die Telefonnummer.«
Ich schnappte mir Stift und Papier und notierte alles. Im Hintergrund hörte ich die Kinder kreischen. Abbies Stimme war so heiser, dass sie kaum zu verstehen war.
»Evan, das ist alles so furchtbar.«
»Ich weiß. Bring deine Familie in Sicherheit.«
Sie senkte die Stimme. »Hayley glaubt, dass sie ihren Großvater besuchen, aber die beiden Älteren ahnen, dass irgendwas nicht stimmt. Dulcie ist richtiggehend nervös. Sie tut mir so leid.« Sie holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen. »Vermutlich halten sie mich für komplett verrückt. Aber ich schaffe es nicht, den beiden was vorzumachen. Ich hatte noch nie in meinem Leben solche Angst.«
Im Hintergrund hörte ich, wie eines der Kinder sagte: »Mom?«
»Gleich, Liebes.« Sie redete wieder mit mir. »Behalt das für dich. Ich sag es nur dir und Tommy. In dieser Stadt wird getratscht wie verrückt.«
»Versprochen. Pass auf dich auf, Abbie.«
»Ich bin ernsthaft am Überlegen, ob ich unseren Familienvan gegen einen Hummer Geländewagen mit einem Geschütz auf der Motorhaube eintauschen soll.«
»Ich auch.«
Wir verabschiedeten uns.
Jesse kam wieder ins Wohnzimmer. »Im Schlafzimmer ist alles klar. Im Bad steht ein offener Werkzeugkasten, und Carlos hat ein halbes Sandwich in der Küche liegen lassen.«
Ich faltete den Zettel mit Mr. Hankins’ Telefonnummer zusammen und steckte ihn in die Tasche. »Ich geh packen.«
Der Wind stieß die Haustür auf und knallte sie gegen die Wand. Papier wurde vom Schreibtisch geweht. In der Küche kippte etwas um und fing zu klappern an. Jesse starrte an mir vorbei. Ich machte die Tür zu. »Ich glaube, im Moment sind wir sicher. Du kannst dich wieder entspannen.«
Ich wollte ins Schlafzimmer, doch er packte
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