Schmerzlos: Thriller (German Edition)
sein Bier und den Funkempfänger in seinem Ohr. Der Barkeeper kassierte das Budweiser ab und knallte Kleingeld vor ihn auf die Theke. Bevor der Barkeeper sich verdrückte, warf er mir noch einen neugierigen Blick zu.
»Was machen Sie hier?«, fragte ich.
Er gab mir keine Antwort.
»Coyote? South Star? Der Schmerzimpfstoff, der die Leute umbringt, die Coyote am Leben gelassen hat?«
Seine Augen blieben stur geradeaus gerichtet.
»Verdammt noch mal, das sind meine Klassenkameraden und ihre Kinder. Jetzt reden Sie schon.«
Er musterte das Kleingeld vor sich, straffte die Schultern und sagte endlich etwas.
»Ich suche nach den Verschwörern, die John F. Kennedy umgebracht haben.« Er schob mir einen Vierteldollar hin. »Da hinten steht ein Telefon. Wenn Sie jemanden auf dem Grashügel rumlungern sehen, rufen Sie mich bitte an.«
Unentschieden. Aus dem würde ich nichts rausbekommen. Ich stand auf.
»Ich hoffe, Ihr Freund bringt Ihnen etwas Hübsches von Victoria’s Secret mit.«
Wieder draußen in der Sonne, äugte ich an den mit Blauregen berankten Geschäften und Restaurants vorbei die Straße hinunter. Jesse fuhr auf mich zu. Er schüttelte den Kopf, der Schwarze war also verschwunden. Als er nur noch ein paar Meter von mir entfernt war, klingelte mein Handy. Er zog es aus meiner Handtasche, nahm das Gespräch an, hörte einen Moment zu und schleuderte es mir dann entgegen, als wäre es eine lebende Schlange.
Ich fing es auf, hörte aber nur den Wählton.
»Was ist?«, fragte ich. »Wer war das?«
»Taylor.«
Ich glotzte zuerst das Handy und dann ihn an. »Was hat sie gesagt?«
»Sie …« Er sah aus, als würde er gleich ersticken. »Sie hat ›Perverser‹ zu mir gesagt.«
Das Handy klingelte erneut. Ich klappte es auf.
»Wir sind ja angeblich blutsverwandt, aber ich bin der festen Überzeugung, dass du von einer Hyäne zur Welt gebracht und auf der Säuglingsstation im Krankenhaus vertauscht wurdest. Und wenn du noch ein einziges Mal …«
»Jetzt bringt er auch noch Kinder um.«
Ich zuckte zusammen. »Valerie?«
»Beckys kleinen Jungen. Ich hab solche Angst«, keuchte sie. »Hier kann ich nicht bleiben. Ich muss weg.«
»Valerie, ist jemand bei dir?«
Das Keuchen wurde stärker. »Irgendwas geht hier vor. Bei mir ruft ständig jemand an, aber er sagt nichts. Er legt einfach auf. Und meine E-Mail wird manipuliert.«
»Manipuliert? Wie meinst du das?«, fragte ich.
»Das kann ich dir nicht erklären. Ich finde keine Worte mehr.«
»Deine E-Mails werden abgefangen?«
»Das bilde ich mir wirklich nicht ein. Ein Auto ist vorbeigefahren. Vier- oder fünfmal, dann hat es ein Stück die Straße hinunter geparkt.«
»Val, ich glaube, du solltest die Polizei verständigen.«
»Nein.«
»Wenn du Angst hat, musst du die Polizei holen.«
»Nein. Die Polizei beobachtet mich. Sie verfolgt mich.« Sie hustete. »Sie haben eine Videokamera in meinem Briefkasten installiert.«
»Valerie, hör mir zu. Du musst einen Nachbarn oder einen Freund anrufen. Du darfst jetzt nicht allein sein.«
»Nein. Verstehst du denn nicht? Ich hab niemanden.«
»Valerie, wo bist du?«
»Canoga Park.«
Also am westlichen Ende des San Fernando Valley – eine Stunde und fünfzehn Minuten mit einem schnellen Auto.
»Gib mir die Adresse.« Ich zog einen Stift aus der Gesäßtasche meiner Hose.
»Was hast du vor?«
»Ich komm zu dir.«
Einen Moment lang war es still, dann hörte ich ein lautes Schluchzen, das in einen Hustenanfall überging. »Danke, Evan.«
»Gib mir die Adresse.«
»Ähm …« Stille. »Ich weiß sie nicht.«
Mein Magen krampfte sich zusammen. »Versuch es.«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Val, weißt du, wie die Straße heißt?«
»Northridge Road.«
»Gut. Kannst du aus einem Fenster gucken und rausfinden, was für eine Hausnummer an der Tür steht?«
»Ich wohne in einem Appartementgebäude. Die Hausnummer kann ich von hier aus nicht sehen.«
»Und deine Nachbarn?«
»Das sind lauter Männer. Die werden mir nicht helfen.«
»Was ist mit deinem Führerschein? Hol ihn und lies mir die Adresse vor.«
»Auf meinem Führerschein steht meine alte Adresse.« Sie weinte wieder. »Ich muss hier weg. Ich muss irgendwohin, wo Leute sind. Ich könnte zu einem Café in meiner Straße laufen.«
»Nein, Val. Es ist keine gute Idee, dass du die Wohnung allein verlässt.«
»Das Café ist in der Northridge Road.«
»Valerie …« Die Leitung war tot. »Verdammt!«
»Stellt ihr jemand
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