Schmetterlinge im Gepaeck
»Ja«, erwidere ich. »Ich auch.«
Verwirrung. Und dann â¦
»Du gibst dir Mühe? Gibst du dir auf die gleiche Weise Mühe wie ich?« Seine Worte sprudeln nur so heraus und überschlagen sich.
Das Leben wäre so viel einfacher, wenn ich sagen könnte, dass ich nicht interessiert bin und er keine Chance bei mir hat. Aber irgendetwas an der Art, wie mich Cricket Bell ansieht â als wäre ihm nichts jemals wichtiger gewesen als meine Antwort â, zwingt mich, die Wahrheit zu sagen. »Ich weià es nicht. Okay? Ich sehe dich an, ich denke an dich und ⦠ich weià es nicht. Niemand hat mich jemals so durcheinandergebracht wie du.«
Sein Gesicht für schwierige Gleichungen. »Und was bedeutet das?«
»Das bedeutet, wir sind wieder genau da, wo wir angefangen haben. Und ich bin wieder am Bahnhof. Deshalb fahre ich jetzt.«
»Ich komme mit â¦Â«
»Nein. Tust du nicht.«
Cricket will widersprechen. Er will sichergehen, dass ich heil nach Hause komme. Aber wenn er mich begleitet, überschreitet er eine Grenze, die ich nicht überschritten haben will. Dann verliert er mich.
Also verabschiedet er sich. Und ich verabschiede mich ebenfalls.
Als der Zug davonrattert, habe ich trotzdem das Gefühl, ihn wieder verloren zu haben.
Kapitel einundzwanzig
I c h liebe es, Max auf der Bühne zu sehen. Er spielt gerade seine aktuelle Lieblings-Coverversion. Als er das erste Mal »I saw her standing there« â Well, she was just seventeen/You know what I mean â mit einem schelmischen Blick in meine Richtung sang, dachte ich, ich muss sterben. Ich war eins von diesen Mädchen. Mädchen, denen Songs gewidmet werden.
Es ist immer noch aufregend.
Lindsey und ich sind auf dem Scare Francisco, einem ganztägigen Halloween-Rockfestival mit zwölf Bühnen im Golden Gate Park. Es ist Samstag, und ich habe immer noch Hausarrest, aber wir haben die Eintrittskarten schon seit Monaten. AuÃerdem gibt es kein Entrinnen vor Norah. Nachdem ihr jede einzelne Wohnung für einkommensschwache Mieter in der Stadt verwehrt wurde, hat sie Vorkehrungen getroffen, bei ihrer Freundin Ronnie Reagan einzuziehen. Ronnie steht für Veronica und sie ist ein Er. Das Problem ist nur, dass Ronnies bisherige Mitbewohnerin erst im Januar auszieht. Meine Eltern fühlen sich ganz mies deswegen und haben ein schlechtes Gewissen. Deshalb haben sie mich heute gehen lassen.
Gemäà unserer alljährlichen Tradition trage ich Jeans, eine hübsche Bluse, eine schwarze Perücke mit ordentlicher Ponyfrisur und rote Turnschuhe. Lindsey trägt ein Fünfziger-Jahre- Hausfrauenkleid mit passender Schürze, Schuhe mit zehn Ze ntimeter hohen Absätzen, eine blonde Perücke mit Tolle und groÃe funkelnde Ohrclips.
Natürlich sind wir jeweils als die andere verkleidet. Ich trage jedes Jahr ungefähr das Gleiche. Lindsey immer etwas Neues.
Amphetamine beenden ihr Set auf Bühne vier und zerlegen ihre Ausrüstung, während die nächste Band, Pot Kettle Black , ihre aufbaut. Ich wedle mir mit einem Flyer für eine Geisterbahn Luft zu und versuche dabei zu verbergen, dass ich mehr in Richtung meiner Achselhöhlen als in mein Gesicht wedle. Ich will nicht nach Schweià stinken, wenn ich Max treffe. Er hat mich noch nicht gesehen. Die Sonne knallt herunter und meine Nase verbrennt, trotz Lichtschutzfaktor 25. In San Fran cisco gibt es im Herbst manchmal regelrechte Hitzewellen.
»Ich kann es gar nicht abwarten, bis du eine echte Kriminalbeamtin bist und ich deine Marke tragen darf«, sage ich zu Lindsey. »Ich würde jedes Mädchen verhaften, das als sexy Katze hier auftaucht. So was von langweilig, dieses Outfit.«
»Und ich kann es nicht erwarten, dass dir dein FuÃspezialist verbietet, hochhackige Schuhe zu tragen.«
»Aber du siehst hinreiÃend aus.«
»Lola?«, ruft ein Mädchen hinter uns.
Ich drehe mich um und sehe Calliope vor mir, den Kopf zur Seite geneigt. »Sie ist es tatsächlich. Du hattest recht.« Sie guckt über ihre Schulter und ich folge ihrem Blick. Da erscheint der andere Bell-Zwilling hinter einem wahnsinnig groÃen Hellâs Angel oder einem Typen, der als Hellâs Angel verkleidet ist. Mir ist wieder heià und ich fächere meinen Wangen mit dem Flyer Luft zu. Ich bin nicht sicher, welcher der beiden Zwillinge mir mehr Unbehagen bereitet. »Woher wusstest du
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