Schmetterlingsgeschichten - Chronik I - Genug geschlafen (German Edition)
ein Platz des Schreckens geworden.
Das,
was einmal Polizeiautos gewesen sein sollten, war jetzt nur noch ein einziger
qualmender Schrotthaufen. Die Rettungswagen sahen nicht anders aus.
Die
Menschen hatten sich in alle Richtungen geflüchtet.
Sie
rannten immer so lange geradeaus, bis sich der Blick eines Terroristen,
vielmehr, die Ausrichtung seiner Waffe, in ihre Laufbahn lenkte. Dann stoben
sie wieder zur Seite aus. Am meisten war hinter ihren Rücken los. Dort, wo am
wenigsten Gefahr lauerte. Denn die Lebensgefahr vergessend oder den
Nervenkitzel suchend, kamen immer mehr Menschen, die sehen wollten, was hier
gerade passierte. Sarah glaubte auch schon, den ersten Hubschrauber zu hören.
Doch dafür war die Menge schon zu laut. Einige wenige Schaulustige hatten sich
bereits um sie herumgestellt. Sie trug ja schließlich ein Gewehr.
Doch
anscheinend war sie den meisten Gaffern nicht interessant genug: Sie ballerte
nicht wild in der Gegend herum.
Seitlich
konnte sie jetzt einen Minivan erkennen, der Satellitenschüsseln auf dem Dach
hatte. In fetten Lettern prangten die Buchstaben »WWN« auf den Türen. Sie
suchte die Menge ab. Einfach hinterher rennen, wäre Schwachsinn gewesen.
Sie
schaute das Gewehr genauer an. Es hatte ein Zielfernrohr. Ja, damit konnte sie
hier arbeiten. Als sie sich wieder nach oben richtete, konnte sie zufällig
sehen, wie sich andeutete, dass sich die Menschen vor dieser kleinen Gasse zur
Seite schoben und ihr damit das Sichtfeld auf zwei Terroristen freigaben. Und
da, tatsächlich!
Sie
legte sich auf den Boden… und schaute durch das Zielfernrohr. Für einen kurzen
Moment war das Bild unscharf. Es justierte sich mit einem leisen Summen von
selbst. Die beiden Terroristen gingen fast gleichauf. Als sie das Fadenkreuz
für einen längeren Zeitraum auf einen von ihnen gerichtet hielt, fixierte das
Zielfernrohr die Person von ganz alleine, und das Gewehr selber, der Lauf,
folgte ihm.
Die
Waffe war Wahnsinn!
Ihre
Arme fungierten nur noch als Halterung. Wahnsinn! Es ging mit leichtem Druck
hoch und runter. Erst, als sie die Waffe kurz komplett vom Ziel wegbewegte, war
die Fixierung gelöst. Dann hielt sie das Gewehr für einen längeren Moment
wieder auf dieselbe Person… und es folgte wieder – sie konnte aber unmöglich
schießen. Sie hatte ja die Wirkung dieser Waffe gesehen und musste davon
ausgehen, dass, wenn sie einen Schuss abfeuerte, sie die Menschen in der Nähe
des Terroristen auch in Gefahr bringen würde. Und sie konnte erkennen, dass
sich vor der Person welche aufhielten.
Da…
sie konnte jemanden näher erkennen.
In
diesem Augenblick tauchte in ihrem Kopf wieder diese alte schöne Melodie auf.
Ihr ganzer Körper wurde von dem Klang ergriffen. Sie bekam Gänsehaut. Ihre
Hände fingen an, zu schwitzen.
Sie
stand auf einem anderen Planeten. Alleine auf einem riesigen Feld. Hunderte von
Kriegern hatten sie umstellt. Sie war eingekreist. Überall Feinde. Doch sie
spürte, dass sie gar nicht alleine war. Hinter ihr war jemand. Ihre Rücken
berührten sich. Das konnte sie fühlen, die Haut. Und… sie fühlte sich sicher.
Die Krieger rannten wild schreiend auf sie zu. Sie fühlte sich ruhig und
sicher. Er war da. Sie fühlte sich sicher. Die Kämpfer hatten furchteinflößende
Fratzen. An ihren Seiten spie der Geifer aus dem Mund, und sie rannten
schwingend mit ihren Schwertern auf sie zu. Diese Melodie umhüllte das Pärchen
wie ein Schild. Die Gegner waren so zahlreich, dass ihr Horizont nur noch aus
widerlichen Körpern bestand. Sonst konnte sie nichts mehr erkennen. Sie spürte
seinen starken Rücken und fühlte sich sicher. Als die Krieger nur noch einen
kleinen Schritt von ihnen entfernt waren, hoben sie gleichzeitig die Schwerter
und schlugen zu.
Sein
Rücken ruhte an ihrem. Sie hatte ihre Beine mit seinen verschlungen und ihre
Hand ruhte in seiner starken Rechten.
»Ich
liebe dich«, sagte er, und sie fing an, zu zittern. Ihr liefen Tränen vor Glück
die Wangen herunter und sie drückte seine Hand. Sie hatte gefunden, was sie ihr
Leben lang gesucht hatte. Sie wollte es nie wieder hergeben. Nie wieder. Als
hätte sie ihr ganzes Leben diesen Satz aufbewahrt, für diesen Mann, der aus dem
Nichts zu kommen schien. Als hätten sich Leidenschaft und Sehnsucht für diesen
Moment ihr Leben lang aufgestaut, explodierte es aus ihr heraus: »Ich liebe dich!!«
Im
Einklang hatten sie sich umgedreht, und sie schaute in seine tiefen
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